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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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geheimnisvollen Symbolen durchbrochen waren.
    Das brennende Kreuz war das größte von ihnen und erinnerte Abt Simon an seine Träume. Welches Geheimnis verbarg sich hinter dem brennenden Kreuz?
    Das Kreuz war seit jeher ein uraltes Symbol für den Baum der Erkenntnis, und Feuer stand ebenso für Läuterung wie für Reinigung. Und aus der Asche ging neues Leben hervor.
    Aber was bedeuteten die sieben kaum erkennbaren Punkte über dem Kreuz? Symbolisierten sie die Gestirne des Himmels oder das Licht, das tropfenweise aus der göttlichen Sphäre auf die sichtbare Welt herniederfiel? Abt Simons nächster Gedanke war so ungeheuerlich, dass er vor Aufregung den Atem anhielt.
    Deuteten die Punkte vielleicht auf Maria Magdalena hin?
    Jesus hatte Maria Magdalena von sieben bösen Geistern befreit.
    Plötzlich kam ihm die Prophezeiung des hebräischen Propheten Micha in den Sinn, die von der Wiederkehr der Herrschaft Jerusalems kündete, vom Heraufkommen einer Zeit, in der alle Völker ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmiedeten und sich im Namen Gottes miteinander versöhnten.
„Und du oh, Magdaleder, Turm der Herde,
du Feste der Tochter Zion,
zu dir wird kommen und wiederkehren die frühere Herrschaft,
das Königtum der Tochter Jerusalem.
Warum schreist du denn jetzt so laut?
Ist kein König bei dir?
Und sind deine Ratgeber alle hinweg,
dass dich die Wehen erfassen wie eine in Kindsnöten;
denn du musst zwar zur Stadt hinaus
und auf dem Felde wohnen
und nach Babel kommen.
    Aber von dort wirst du wieder errettet werden …“
    Er fühlte, dass sie dem Geheimnis der Papyrusblätter näher waren als jemals zuvor. Seine Hände zitterten vor Aufregung, als er gemeinsam mit Bruder Jacob die nächsten Zeilen Wort für Wort zu übersetzen begann:
    „Liebe kann niemand singen, wenn die Weihe der Gnade ihn nicht belehrt hat. Es ist kein Erzittern des Mundes, sondern ein Hymnus des Herzens –
    Wer die Erklärung dieser Worte findet, wird den Tod niemals schmecken!“

42
    König Ludwig saß auf seinem Thron, der auf einem Podest stand und ihn über seine Untertanen erhob. Bekleidet war er mit einem schlichten blauen Umhang mit Revier, dessen einzige Verzierung aus einer mit reichlichen Einlegearbeiten versehenen, zweiteiligen Mantelschließe bestand.
    Gilles le Brun saß zu seiner rechten Seite. Des Königs Berater, darunter auch Jean de Joinville, befanden sich links von ihm. Seitlich vor ihnen hatten drei Schreiber an einem Tisch mit Feder, Tinte und Pergament Platz genommen und waren bereit, die königlichen Diktate niederzuschreiben.
    Enguerrand gab sich keine Mühe, seine schlechte Laune zu verbergen. Der König hatte ihn stundenlang zwischen Bittstellern und Höflingen in einem ungeheizten Vorraum des Thronsaals warten lassen, bevor er endlich aufgerufen worden war.
    Die schlichte Kleidung des Königs stach sowohl von der seiner Berater als von seiner eigenen ab. Um seinen Reichtum zu demonstrieren, hatte Enguerrand seinen prunkvollsten, mit Pelz verbrämten Umhang angelegt, der zudem noch über und über mit Seide bestickt war. Auf dem Kopf trug er einen auffallenden Hut, der mit vielen Pfauenfedern und Stickereien versetzt war, und seine Füße steckten in weichen, gefütterten, mit Perlen und Rauten geschmückten Stiefeln.
    König Ludwig hingegen wirkte wie ein echter Bettlerkönig. Der Gedanke erheiterte den Herrn von Coucy wider Willen. Jeder im Reich wusste, dass der König sein Geld an die Armen und an die Klöster verschwendete, ohne dabei zu bemerken, dass man sich hinter seinem Rücken über so viel Dummheit lustig machte.
    Er trat näher und deutete eine knappe Verbeugung an.
    König Ludwig betrachtete den kräftigen Mann mit den harten Augen, von dem erzählt wurde, dass er weder Gott noch Teufel fürchtete.
    „Ich habe Euch rufen lassen, um Euch Gelegenheit zu geben, Stellung zu der Hinrichtung dreier junger Edelmänner zu nehmen“, begann er kühl.
    Enguerrand musterte den König und konnte die eisige Ablehnung, die ihm dieser entgegenbrachte, beinahe körperlich spüren. Der hochgewachsene blonde Mann neben ihm musste hingegen der Oberfeldherr und Onkel der Jungen sein, wie er aus der finsteren Miene und dem nur mühsam unterdrückten Zorn des Mannes schloss.
    „Sie haben in meinen Wäldern gewildert, und darauf steht nach dem Gesetz der Tod“, erwiderte er überheblich. Er war sich keiner Schuld bewusst, außerdem ärgerte es ihn über alle Maßen, dass er nun das Turnier wegen solch einer lächerlichen

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