Die Bluterbin (German Edition)
und diesen über eine großzügige Aussteuer, die Marie mit in die Ehe bringen würde, zu unterstützen. Darüber hinaus würde er Radulfus, dem Bischof von Bourges, einen halben Ballen von dem golddurchwirkten Brokatstoff, den er in Venedig erworben hatte, stiften, um Gott gnädig zu stimmen.
7
Nach langem Hin und Her hatte Katharina sich schließlich für einen sanft schimmernden goldgelben Samt entschieden, und Eleonore beauftragte die besten Näherinnen der Stadt damit, Katharinas Hochzeitskleid zuzuschneiden und anzupassen. Anschließend befahl sie Marie, das Kleid und die dazugehörige Schleppe zu säumen und den Schleier zu besticken. Für sich und ihre Töchter ließ sie ebenfalls aus dem gleichen kostbaren Samt etwas schlichtere Kleider anfertigen.
Die Hochzeit sollte in der Burgkapelle der Montreuis stattfinden, und sie wollte sich auf keinen Fall vor der zukünftigen adligen Verwandtschaft eine Blöße geben.
Marie nähte, ohne zu murren, von morgens bis abends und erwartete jede Woche sehnsüchtig den Sonntag, an dem sie gemeinsam mit ihrer Familie die Kathedrale besuchen konnte. Es war die Pflicht eines jeden Gläubigen, ob jung oder alt, reich oder arm, mindestens einmal in der Woche zum Gottesdienst zu gehen, in dessen Höhepunkt das Hochheben der Hostie stand.
Endlich war es wieder so weit. Marie sprang als Erste aus dem großen Bett und legte ihr Festtagsgewand an, das zusammen mit den Kleidern ihrer Schwestern in einer großen Truhe neben der Türe aufbewahrt wurde. Danach lief sie in die Küche, wo sie ungeduldig auf ihre Mutter und ihre Schwestern wartete.
Elsa hatte ihre Schürze abgelegt und sich eine saubere Haube umgebunden. Genau wie Marie liebte sie den Gottesdienst, der eine willkommene Abwechslung in den eintönigen Tagesablauf der Woche brachte.
Maries Herz begann wie immer schneller zu schlagen, als sie durch das Goldene Tor die Heilige Stadt betrat, die sich wie ein Ring um die Kathedrale zog und die obere Stadt von der unteren trennte.
Das große Portal war übersät mit eng nebeneinanderstehenden Skulpturen von Heiligen.
Die Kathedrale war schon gut gefüllt, als Marie ihrer Mutter und den Schwestern durch das äußere Seitenschiff zur Familienkapelle folgte.
Ihr Vater hatte sie im letzten Jahr für viel Geld von einem Grafen erworben, dessen gesamtes Vermögen vom König eingezogen worden war.
Die anderen Kapellen befanden sich überwiegend im Besitz des Adels, der, begleitet von seinen Eskorten, in die Kirche einzog und ein farbenprächtiges Bild abgab.
Sie hatten gerade ihren Platz eingenommen, als die Mönche in geschlossener Prozession die Kathedrale betraten. Hinter ihnen folgten die Kathedralschüler.
Der Bischof selbst hielt an diesem Sonntag die Predigt. Mit geschmeidigen Bewegungen und wallender schwarzer Kukulle erklomm er die steile Wendeltreppe der kunstvoll geschnitzten hölzernen Kanzel, um aus lichter Höhe mit lauter Stimme auf die Gläubigen herabzudonnern. Die Wirkung seiner Worte wurde noch dadurch gesteigert, dass die Morgensonne just in diesem Augenblick durch eine Rosette des sechsbahnigen Triforiums schien und die Kanzel in goldenes Licht tauchte.
Die Menschen schlossen für einen Moment geblendet die Augen und lauschten dem Bischof, der ihnen wortgewandt ihre Sünden vor Augen führte und sie dazu aufforderte, diese zu bekennen und sich zu bekehren.
„Der König von Frankreich war sterbenskrank und von seinen Ärzten bereits aufgegeben, als er sich auf Asche betten ließ und alle seine Vasallen zu sich rief und zu ihnen sprach:
„Sehet! Ich, der reichste und edelste Herr der Welt, der ich mächtiger war als alle anderen Menschen, ihnen überlegen an Rang, Vermögen und Anzahl meiner Freunde, kann doch dem Tod nicht den geringsten Aufschub noch der Krankheit eine einzige Stunde der Linderung abtrotzen! Was also sind all diese Dinge wert?“
Indem sie ihn so sprechen hörten, brachen alle Anwesenden in Schluchzen aus. Doch entgegen jeder Erwartung ließ der Herrgott ihn in diesem Moment, da man ihn schon tot wähnte, genesen. Er stand auf, dankte Gott und nahm das Kreuz infolge dessen, was sich zugetragen hatte.
Das irdische Leben ist nur eine Exilstation auf dem Wege zur ewigen Seligkeit. Kehrt um, ihr sündigen Seelen, denn Gott kennt eure Missetaten und wird euch nicht verlassen, wenn ihr euch ihm zuwendet. Oder wollt ihr ewig in der Hölle schmoren?
Salvandorum paucitas, damnandorum multitudo, extra ecclesiam nulla salus: Wenige
Weitere Kostenlose Bücher