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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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Durst. Mit weichen Knien erhob sie sich und zog ihr Gewand über. Sie hatte sich gerade angekleidet, als Elsa die kleine Kammer betrat, in der Hand eine Schale mit Suppe.
    „Ich habe solchen Durst“, sagte Marie und sah Elsa bittend an.
    Elsa stellte die Holzschale auf den Boden und lief zurück in die Küche, um Marie einen Becher mit verdünntem Wein zu holen. Gierig trank Marie den Wein und sträubte sich nicht lange, als Elsa ihr befahl, sich wieder ins Bett zu legen.
    „Deine Mutter ist sehr erzürnt. Sie möchte, dass du dich ausruhst, weil dein Vater heute Abend einen wichtigen Gast erwartet. Ich glaube fast, sie haben einen Ehemann für dich ausgewählt.“
    Marie starrte Elsa erschrocken an. Ihre Eltern hatten mit ihr bislang niemals über eine Eheschließung gesprochen, was nicht weiter verwunderlich war. Welcher Mann würde schon freiwillig ein Mädchen zur Frau nehmen, von dem es hieß, es wäre von Dämonen besessen? Sie dachte an Robert. Er war der einzige Mann, dem sie vertraute und den sie mit Freuden heiraten würde. Was konnte sie nur tun?
    Elsa beobachtete sie mitleidig. Sie wusste, dass Marie sich an nichts mehr von dem, was geschehen war, erinnern konnte, zögerte aber, ihr von dem jungen Mann zu erzählen, der sie nach Hause getragen hatte, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen. Sie war überzeugt davon, dass es sich dabei um denselben jungen Mann handelte, der Marie schon einmal nach Hause begleitet hatte.
    Marie hatte ihr zwar versprochen, ihn nicht wiederzusehen, doch es sah ganz danach aus, als ob sie ihr Versprechen nicht gehalten hätte. Doch das Wichtigste war jetzt, dass Marie erst einmal wieder zu Kräften kam.
    Sie hörte die harte Stimme ihrer Herrin, die schon ungeduldig nach ihr rief, und beeilte sich, in die Küche zurückzukommen.
    „Wie geht es Marie?“, fragte Eleonore. Sie war ärgerlich, weil Elsa sich so lange in der Kammer aufgehalten hatte.
    „Es geht ihr schon besser, sie wird zum Essen herunterkommen können“, gab die Magd zur Antwort.
    Eleonore seufzte erleichtert auf.
    Jean war wütend geworden, als er von dem Vorfall erfahren hatte, und hatte ihr schwere Vorwürfe gemacht, weil sie Marie allein aus dem Haus hatte gehen lassen.
    Gegen Mittag trafen die Gäste ein. Raymond Chandos hatte seinen ältesten Sohn mitgebracht, genau wie er es mit Jean Machaut vereinbart hatte. Renaud war klein, dunkelhaarig, und ein verschlagener Ausdruck lag in seinem Gesicht. Seinen flinken Augen entging nicht die geringste Kleinigkeit. Er hatte sich sofort bereit erklärt, Marie zu heiraten, wenn es dadurch endlich mit dem Geldmangel vorbei sein würde. Schließlich gab es genügend Möglichkeiten, um sich einer unbequemen Ehefrau nach der Hochzeit wieder zu entledigen, wenn man sie nicht mehr brauchte.
    Jean begrüßte seine Gäste höflich und stellte ihnen seine Familie vor. Nachdem sich alle um die Tafel versammelt hatten, überreichte Raymond Chandos dem zukünftigen Schwiegervater seines Sohnes ein Rechentuch aus blau schimmerndem Samt, auf dem in gleichmäßigen Abständen Goldfäden eingestickt waren, sowie einen Beutel, der aus dem gleichen Material genäht war.
    Neugierig breitete Jean das kostbare Tuch auf dem Tisch aus. Unter den staunenden Augen der Familie erklärte Raymond ihm, wie es funktionierte. „Es stammt von den Muselmanen, aber in Venedig benutzt beinahe jeder erfolgreiche Geschäftsmann diese Rechenmethode.“
    Er nahm einige dünne Elfenbeinplättchen in Form einer Münze aus dem Beutel und legte sie nebeneinander zwischen die Goldfäden. Dann fuhr er mit seiner Erklärung fort:
    „Die Null ist für sich allein ein Nichts, aber wenn man sie einer Zahl hintenansetzt, verzehnfacht sie deren Wert. Die Kirche behauptet zwar, die Null stamme vom Teufel persönlich, aber sie erleichtert das Rechnen von größeren Summen doch sehr.“
    Jean probierte es aus und war begeistert.
    Elsa, die neugierig zugehört hatte, schlug heimlich ein Kreuzzeichen. Das mit der Null konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Wie konnte ihr Herr nur solch ein gottloses Geschenk annehmen und sich darüber auch noch freuen, wo es dazu noch von Heiden stammte? Kopfschüttelnd ging sie zurück in die Küche, um den Wein zu holen. Mit Maries Schönheit hatten weder Raymond noch Renaud gerechnet. Heißes Begehren stieg Renaud in die Lenden, als er das zartgliedrige Mädchen mit der ungewöhnlich weißen Haut genauer musterte. Die unschuldige Schönheit seiner Braut war ganz nach seinem

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