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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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einer jeden Stadt, die auf seinem Weg lag, zu versammeln, um auf diese Weise von seinen Lehnsherren die ihm zustehende Anzahl an Rittern einzufordern.
    Der bevorstehende Kreuzzug des Königs war schon jetzt das vorherrschende Thema in allen Städten und Dörfern, an denen sie vorbeizogen, und hatte in unzähligen jungen Männern die Hoffnung geweckt, ihr tristes Dasein gegen ein Leben voller spannender Abenteuer eintauschen zu können.
    Joinville musterte den König prüfend. Er trug einen Leibrock aus Leder. Oberrock und Mantel bestanden aus grün schimmerndem Samt mit Hermelinbesatz, einem breiten goldverzierten Gürtel sowie Spange und Schapel. Zum Reiten trug er eine lederne Hose, die allerdings aus feinster Kalbshaut gegerbt war. Seine Beine waren durch hohe Gamaschen aus dem gleichen Leder geschützt, und als einzige Waffe trug er ein Messer in einer ledernen Scheide am Gürtel mit sich. Das Auffälligste an ihm war aber der breite Filzhut mit seinem pfauenfarbenen Tuchbesatz.
    An manchen Tagen siegte Ludwigs Vorliebe für prunkvolle Kopfbedeckungen über seine fromme Enthaltsamkeit, obwohl er selbst an diesen Tagen nicht auf das härene Büßergewand verzichtete, das er stets unter seinen prächtigen Kleidern trug.
    „Wir sollten einige Männer zu Eurem Schutz mitnehmen“, schlug Joinville besorgt vor.
    Denn auch wenn die Wege der Reisenden nach dem ausgerufenen Landfrieden angeblich sicher waren, trieben sich dennoch überall Banden von Ausgestoßenen, Raubrittern und anderen Wegelagerern in der Gegend herum, die sich einen Teufel um irgendwelche Gesetze scherten.
    Aber Ludwig schüttelte entschlossen seinen Kopf.
    „Wir werden allein reiten, Gott wird uns beschützen“, bestimmte er.
    Joinville gab nach. Er wusste, dass es keinen Zweck hatte, dem König zu widersprechen.
    Und so blieben seine Sinne den ganzen Ritt über angespannt. Misstrauisch überwachte er immer wieder die gesamte Umgebung und war erleichtert, als endlich die Stadtmauern von Bourges vor ihnen auftauchten.
    Sie mischten sich unter den Strom der Reisenden, der immer größer wurde, je näher sie der Stadt kamen. Bauern, die ihr Vieh auf dem Markt verkaufen wollten, dazwischen Händler, Kaufleute, fahrendes Volk und Huren, die sich in der Stadt ein besseres Leben erhofften.
    Plötzlich brach direkt hinter ihnen ein Tumult aus.
    Joinville drehte sich um und sah, wie sich ein kräftiger Keiler laut grunzend seinen Weg durch die Menschen und Wagen bahnte, nachdem es ihm irgendwie gelungen war, sich von dem Strick loszureißen, mit dem man ihn festgebunden hatte. Sein Besitzer rannte laut schimpfend in seinen Holzschuhen hinter ihm her und versuchte, das Tier wieder einzufangen, jedoch vergeblich.
    Einige Leute blieben stehen, um sich das Schauspiel anzusehen, und brachten damit den ganzen Zug ins Stocken. Lachend sahen sie zu, wie der krummbeinige Bauer, als er schon geglaubt hatte, sein Schwein packen zu können, auf einmal im Matsch ausrutschte und der Länge nach hinschlug.
    Während der Mann sich fluchend wieder erhob, rannte das Schwein ängstlich quiekend weiter.
    Ein kleiner Junge, den das Jagdfieber gepackt hatte, hob einen Kieselstein auf und warf ihn nach dem Keiler, der vor Schreck einen Haken schlug und dabei zwischen die Hinterbeine von König Ludwigs Reitpferd geriet.
    Der Hengst wieherte erschrocken auf und stieg auf seine beiden Hinterbeine.
    König Ludwig, durch die plötzliche Bewegung überrascht, verlor das Gleichgewicht und stürzte vom Pferd. Unfähig, allein aufzustehen, blieb er auf dem Rücken liegen.
    Das alles war so schnell geschehen, dass Joinville keine Zeit geblieben war, um zu reagieren. Voller Sorge sprang er nun vom Pferd und beugte sich über seinen Herrn. Ludwigs Gesicht war schmerzverzerrt.
    Neugierig betrachteten die Umherstehenden den gestürzten Reiter in der prächtigen Kleidung, der noch vor wenigen Augenblicken an ihnen vorbeigeritten und auf sie herabgesehen hatte.
    Joinville wollte kein Aufsehen erregen und forderte die Menschen daher durch eine unmissverständliche Handbewegung auf, weiterzugehen, was allerdings keinen der Umherstehenden kümmerte.
    Ungerührt blieben sie weiterhin stehen und starrten auf den verletzten König. Unwillkürlich fiel Joinvilles Blick auf den schweren goldenen Siegelring an Ludwigs Hand.
    „Schafft Ihr es, wieder aufzusteigen, Sire?“, flüsterte er leise. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis Euch einer von ihnen erkennen wird, und dann werden wir Mühe haben,

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