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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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Krankheit in Erfahrung bringen.“
    „Wie ich Euch bereits gesagt habe, war es mir vom Altar aus nicht möglich zu sehen, was genau geschehen ist. Ich weiß nur, dass dieses Mädchen beinahe täglich die Kathedrale besucht“, erwiderte Bruder Gregor. „Sie ist mir aufgefallen, weil sie immer allein kommt und sich stets bescheiden in die Kapelle ihrer Familie zurückzieht“, fügte er hinzu.
    Der Bischof starrte an ihm vorbei, und seine Stirn legte sich in Falten. Hatte er ihm überhaupt zugehört? Geduldig wartete Bruder Gregor, bis sich Radulfus ihm wieder zuwandte.
    „Jean Machaut ist ein angesehener Bürger und ein gottesfürchtiger Mann, der im Gegensatz zu vielen anderen wohlhabenden Kaufleuten unserer Stadt das Bistum großzügig unterstützt.“
    Radulfus starrte ihn misstrauisch an. Seine Worte klangen fast so, als wolle er den Tuchhändler verteidigen. Aber kein Kaufmann spendete freiwillig, solange er keinen triftigen Grund dafür hatte.
    Wie immer, wenn er aufgeregt war, begann seine spitze Geiernase zu zucken. Ohne es zu wollen, hatte Bruder Gregor ihn auf die richtige Spur gebracht. Triumphierend sah er seinen Sakristan an.
    „Ich glaube, ich weiß, warum Jean Machaut uns so großzügig unterstützt. Es hat sicher mit der Krankheit seiner Tochter zu tun. Er ist ein harter Geschäftsmann, der genau weiß, was er tut, und der bislang keinen sonderlich frommen Eindruck auf mich gemacht hat.
    Machaut spendet daher nicht aus Mildtätigkeit, sondern aus reiner Berechnung. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm und seiner Familie. Er verbirgt etwas und versucht, die Kirche und damit Gott durch großzügige Geschenke auf seine Seite zu ziehen. Aber es ist genau seine übertriebene Großzügigkeit, durch die er sich nunmehr verraten hat.“
    Bruder Gregor nickte nachdenklich.
    „Eure Gedankengänge besitzen eine bewundernswerte Schärfe“, bemerkte er trocken.
    Radulfus lächelte geschmeichelt, doch schon im nächsten Moment spielte ein grausamer Zug um seinen Mund.
    „Ich werde unserem Tuchhändler einen Besuch abstatten und mich nach dem Befinden seiner Tochter erkundigen. Das wird ihn verunsichern, und seine Reaktion wird mir verraten, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege oder nicht. Anschließend werde ich mit dem jungen de Forez sprechen, den Ihr mir bringen werdet. Sein Gesicht kam mir bekannt vor, er ist einer der Schüler an unserer Kathedralenschule, habe ich recht?“
    Bruder Gregor nickte. Der Bischof hat den Teufel im Leibe, dachte er und schlug unbemerkt rasch ein Kreuzzeichen.
    Der Tuchhändler besaß schon jetzt sein Mitgefühl. Wer den Bischof gegen sich hatte oder sich seinen Zorn zuzog, hatte Schlimmes zu befürchten, denn der Bischof war allgemein für seine Grausamkeit bekannt. Er gehörte zu den wenigen Klerikern, denen es allein mittels ihres Ehrgeizes und ihrer Rücksichtslosigkeit gelungen war, in das Amt des Bischofs gewählt zu werden.
    Radulfus konnte es kaum erwarten, seinen Plan in die Tat umzusetzen, und so ließ er sich seinen Umhang bringen und forderte Bruder Gregor auf, ihn zu begleiten.
    Als sie den Kathedralenvorplatz überquerten, trat ein zerlumpter Mann auf sie zu und sank vor dem Bischof auf die Knie. Sein Gesicht und seine Hände waren mit eitrigen Geschwüren übersät.
    „Im Namen Gottes, habt Erbarmen“, jammerte er und griff nach dem Saum von Radulfus’ Umhang.
    Der Bischof trat einen Schritt zur Seite.
    „Scher dich zum Teufel“, zischte er und lief, ohne den Bettler noch eines Blickes zu würdigen und gefolgt von Bruder Gregor, einfach weiter. Das überfallartige Auftauchen des Bettlers hatte er gewiss König Ludwig zu verdanken, dessen Großzügigkeit sich wahrscheinlich längst unter den Bettlern herumgesprochen hatte. Sicher würden sie jetzt noch aufdringlicher und unverschämter werden, als sie es ohnehin schon waren, und er würde sehen können, wie er damit fertig wurde.
    Sein Gesicht verzog sich grimmig, als er an den König dachte. Doch zuallererst galt es nun herauszufinden, was es mit der Tochter des Tuchhändlers auf sich hatte, danach würde man weitersehen.
    Sie waren mittlerweile in eine der kleinen Handwerkergassen eingebogen, und sowohl Radulfus als auch Bruder Gregor mussten ihre Kutten anheben, wollten sie verhindern, dass ihre Gewänder durch den knöcheltiefen Schlamm schleiften und dabei vollkommen verdreckten.
    Die Gassenjungen bogen sich vor Lachen, als sie die beiden Kirchenmänner sahen, die mit gelüpftem Rock wie zwei große

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