Die Bluterbin (German Edition)
schwarze Krähen von einem Trittstein zum nächsten hüpften.
„Wir hätten die Reitpferde nehmen sollen“, stieß Radulfus ärgerlich hervor. „Diese unverschämte Bürgerschaft sollte sich lieber erst um den Unrat in ihren Gassen kümmern, anstatt über den Bau eines neuen Rathauses nachzudenken.“
Endlich waren sie vor Jean Machauts Haus angelangt. Auf Bruder Gregors Klopfen hin wurde ihnen die Türe von Elsa geöffnet, die sie argwöhnisch einen nach dem anderen betrachtete.
Als sie den Bischof erkannte, der sie um mehr als einen ganzen Kopf überragte, erstarrte sie vor lauter Ehrfurcht.
„Wir möchten den Tuchhändler Jean Machaut sprechen“, verlangte Radulfus’ und seine Stimme klang ungeduldig.
Aufgeregt lief Elsa ins Kontor, um ihrem Herrn Bescheid zu geben.
Jean Machaut blickte ärgerlich über die Störung von seinem Rechentuch auf. Er war gerade dabei, mit Henry den Gewinn des letzten Jahres zu errechnen, und hasste nichts mehr, als bei der komplizierten Addition der Zahlenreihen gestört zu werden.
„Der Bischof ist hier und wünscht Euch zu sprechen“, meldete ihm Elsa mit zitternder Stimme.
Jean sah sie erschrocken an. Damit hatte er nicht gerechnet. Was um Himmels willen konnte der Bischof nur von ihm wollen? Ob er wegen dem Altartuch hier war? Sofort verwarf er den Gedanken wieder.
Ein Bischof würde sich wegen eines Altartuches nirgendwo hinbemühen, selbst wenn es noch so kostbar war.
„Führe unsere Gäste in die Stube und bring ihnen Wein“, befahl er Elsa, die ihn ängstlich beobachtete. Tief in ihrem Inneren spürte sie, dass der Besuch des Bischofs für ihren Herrn und seine Familie eine Bedrohung darstellte.
Jean erhob sich und strich seinen Rock glatt.
„Wir machen später weiter“, sagte er zu Henry.
Sein Gesicht wirkte angespannt, und er atmete noch einmal tief durch, bevor er sich in die Stube begab, wo Bruder Gregor und der Bischof bereits Platz genommen hatten. Höflich reichte er seinen Gästen die Hand. Leises Unbehagen beschlich ihn, als die stechenden Augen des Bischofs sich auf ihn richteten. Radulfus lächelte ihm beruhigend zu, doch Jean ließ sich nicht täuschen. Der Bischof wirkte auf ihn wie ein Habicht, der sich seiner Beute absolut sicher war, und Jean fühlte sich immer unbehaglicher.
„Wir sind gekommen, um Euch für Eure großzügigen Spenden zu danken“, begann Radulfus im Plauderton.
Jeans Züge entspannten sich bei seinen Worten ein wenig, was Radulfus nicht entging, und so schoss er seine nächsten Worte wie Pfeile ab, um dem Tuchhändler keine Zeit mehr zum Nachdenken zu lassen.
„Wir möchten uns außerdem nach dem Befinden Eurer Tochter erkundigen.“
Der Tuchhändler starrte ihn erschrocken an. Sein Gesicht hatte jede Farbe verloren.
Radulfus bemerkte es voller Genugtuung, aber schon im nächsten Moment hatte Jean sich wieder gefasst. Hinter seinem jetzt unnahbaren Gesichtsausdruck begann es in seinem Kopf fieberhaft zu arbeiten. Dabei spürte er, dass der Bischof jede seiner Regungen ganz genau beobachtete. Er musste von Maries Krankheit erfahren haben, doch warum interessierte er sich so dafür, dass er sich deswegen extra herbemüht hatte?
Es gab noch mehr Menschen, die von Dämonen heimgesucht wurden, ohne dass es jemanden kümmerte. Es musste also etwas anderes dahinterstecken. Ob Radulfus wohl Geld benötigte? Das wäre eine Möglichkeit.
Dann war er gekommen, weil er eine weitere Spende wollte, und würde anbieten, für Marie beten zu lassen. Es war bekannt, dass die Kirche Unmengen an Geld benötigte, um ihren aufwändigen Lebensstil finanzieren zu können. Bei dem Gedanken daran beruhigte sich Jean wieder etwas und brachte sogar ein unverbindliches Lächeln zuwege.
„Es ist sehr großzügig von Euch, sich nach dem Befinden meiner Tochter zu erkundigen. Marie befindet sich bei bester Gesundheit und stickt gemeinsam mit ihren Schwestern an dem Altartuch, das ich Euch versprochen habe. Es wird bald fertig sein“, sagte er in der Hoffnung, dass sich der Bischof mit dieser Antwort zufriedengeben würde.
Doch Radulfus dachte nicht daran, ihm diesen Gefallen zu tun.
„Uns würde interessieren, um was für eine Krankheit es sich bei Eurer Tochter handelt. Ist sie von Dämonen besessen oder hat sie gar den bösen Blick?“
Jean Machaut begann innerlich zu zittern. Würde die verfluchte Vergangenheit denn niemals ruhen? Er riss sich zusammen und bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben.
„Wir wissen
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