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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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etwa möglich, dass Marie ebenfalls diese verfluchte Gabe besaß?
    Er musste es so schnell wie möglich herausfinden. Ungeduldig rief er nach Elsa.
    „Bring Marie zu mir“, befahl er. Elsa starrte ihn erschrocken an, einen Moment lang war sie unfähig, sich zu bewegen.
    Noch nie hatte sie erlebt, dass ihr Herr Marie zu sich gerufen hatte.
    Jean Machauts Miene verfinsterte sich. Ärgerlich blickte er auf die Magd.
    „Hast du nicht gehört, was ich dir gesagt habe? Ich möchte mit meiner Tochter sprechen, und zwar sofort.“
    Endlich kam Bewegung in Elsa. Sie verließ das Kontor und lief eilig die Treppe zur Stube hinauf.
    „Marie, du sollst sofort zu deinem Vater kommen.“ Marie sah erschrocken von ihrer Stickarbeit auf. Elsas Gesicht war hochrot vor Aufregung, und ihre Stimme klang gehetzt.
    „Was ist denn geschehen?“, erkundigte sich Martha neugierig. „Warum will Vater mit Marie sprechen?“
    „Das musst du ihn schon selbst fragen“, gab Elsa wenig freundlich zurück.
    „Sicher hat sie wieder etwas angestellt, das für neues Gerede sorgt“, bemerkte Agnes abfällig. „Wenn das so weitergeht, können wir uns bald nirgendwo in der Stadt mehr sehen lassen.“
    Marie stand auf und verließ mit Elsa den Raum. „Geschieht dir ganz recht, wenn Vater dich bestraft“, zischte Agnes hinter ihr her.
    Mit klopfendem Herzen betrat Marie das Kontor. Sie konnte sich nicht vorstellen, warum, und vor allem, worüber ihr Vater mit ihr sprechen wollte.
    Jean Machaut musterte sie nachdenklich, als sie vor ihm stand, vermied es aber, ihr in die Augen zu sehen.
    „Ich möchte wissen, ob du heilen kannst“, wollte er kurz und bündig von ihr wissen.
    Marie überlegte, wie sie es ihm wohl am besten erklären konnte. Sie spürte seine Ablehnung, aber auch die Angst, die sich dahinter verbarg.
    „Manchmal, wenn ich jemandem in die Augen sehe, der Schmerzen hat, kann ich sie fühlen, und dann wird mir schwindelig und ich kann mich hinterher an nichts mehr erinnern.“
    „Kannst du es beeinflussen?“, fragte er weiter.
    Marie schüttelte den Kopf.
    „Es geschieht einfach“, sagte sie leise.
    „Ich wünsche mir so sehr, dass es aufhört, um Euch keinen Kummer mehr zu bereiten.“ Sie suchte den Blick ihres Vaters, der seine Augen jedoch weiterhin starr auf einen nicht auszumachenden Punkt an der Wand hinter ihr gerichtet hielt.
    Er hatte genug gehört. Seine Befürchtungen, Marie betreffend, waren zur traurigen Gewissheit geworden. Marie hatte die Heilkräfte seiner Mutter geerbt.
    „Du kannst jetzt zurück an deine Arbeit gehen“, beschied er ihr kalt.
    Die Härte in seiner Stimme bestürzte sie, und verstört verließ sie das Kontor. Vor der Türe wartete Elsa auf sie und nahm sie tröstend in den Arm. Vor lauter Sorge um Marie hatte sie der Versuchung, heimlich zu lauschen, nicht widerstehen können und alles mit angehört.
    Beim Abendessen war Jean schweigsam und gab Eleonore auf ihre Fragen nur sehr einsilbig Antwort.
    Eleonore brannte darauf zu erfahren, was der Bischof in ihrem Hause gewollt hatte, doch Jean weigerte sich, darüber zu reden, und wies sie ärgerlich zurecht.
    „Die Neugier des Weibes ist des Mannes Tod. Haltet endlich Euren Mund und geht lieber Euren Pflichten nach“, maßregelte er sie streng.
    Eleonore senkte beschämt ihren Blick. Ihr Gefühl sagte ihr, dass der Besuch des Bischofs etwas mit Marie zu tun hatte, und ihre Sorge wuchs.
    In der darauf folgenden Nacht fand sie nur wenig Schlaf. Immer wieder wurde sie von düsteren Träumen gequält, die sie nicht zur Ruhe kommen ließen.
    Und so hielt sie Marie, als diese am nächsten Tag das Haus verlassen wollte, zurück.
    „Du wirst bis zu deiner Hochzeit das Haus nicht mehr verlassen“, ordnete Eleonore an, doch wider Erwarten kam ihr Vater ihr zur Hilfe.
    „Marie darf die Kathedrale aufsuchen, wann immer sie es möchte“, sagte er hart.
    Eleonore sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren, aber Jean schenkte ihr keine weitere Beachtung, sondern begab sich in sein Kontor zurück.
    Glücklich verließ Marie das Haus. Robert erwartete sie bereits wie immer sehnsüchtig vor dem Portal. Er wollte ihr heute den Ring des Königs zeigen. Voller Sorge betrachtete er Maries feines Gesicht. Unter ihren schönen Augen lagen tiefe Schatten, doch es schien ihr wieder besser zu gehen.
    „Mein Vater hat mir die Erlaubnis gegeben, die Kathedrale zu besuchen, wann immer ich will“, strahlte sie ihn an, wurde aber sogleich wieder ernst. „Meiner

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