Die Bluterbin (German Edition)
Blick voller Liebe zugeworfen, dass sie den Bischof darüber ganz vergessen hatte. Dann hatte Robert ihr den Ring von König Ludwig überreicht.
Sie legte ihre Stickarbeit zur Seite und griff nach dem Ring, den sie in ihrem Beutel neben Nadel, Kamm und Pinzette verwahrte. Robert hatte ihr den Ring gegeben, und obwohl er ein Geschenk des Königs war, würde er sie zuallererst immer an Robert erinnern.
Nun betrachtete sie den Ring das erste Mal etwas genauer. Er war aus massivem Gold gearbeitet und lag schwer in ihrer Hand. In seinem Inneren waren winzige Buchstaben eingraviert. Allein die Fassung, die den kostbaren Rubin hielt, war ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst. Ehrfürchtig hielt Marie den Ring ins Licht und drehte ihn langsam hin und her. Die einzelnen Facetten des Steins fingen das helle Licht ein und warfen es sprühend und funkelnd zurück.
„Ihr habt die Sünde der Eitelkeit begangen.“ Die Worte des Bischofs waren plötzlich in ihrem Kopf. Ob er den Ring damit gemeint hatte? Doch wie konnte er davon wissen? Es gab nur eine Erklärung dafür: Er war damals ebenfalls in der Kathedrale gewesen.
Schlagartig erlosch ihre Freude über die Schönheit des Ringes, und sie ließ ihn achtlos wieder zurück in den Beutel gleiten. Sie würde Robert fragen, was sie mit dem Ring tun sollte.
17
Bruder Gregor hatte Robert zu sich ins Scriptorium bestellt und ihm aufgetragen, die Novizen bei ihrer Arbeit zu beaufsichtigen. Es war nichts Ungewöhnliches, nach dem Unterricht zu solchen Aufgaben herangezogen zu werden, doch an diesem Tag hatte Robert ein ungutes Gefühl beschlichen. Bittend hatte er dabei Bruder Gregor angesehen.
„Es ist nicht so, dass ich mich vor der Pflicht drücken will, aber wäre es nicht möglich, dass jemand anders diese Aufgabe übernehmen könnte? Ich habe eine Verabredung getroffen, die mir sehr wichtig ist.“
Bruder Gregor sah ihn streng an.
„Ein Mädchen also. Besinnt Euch lieber auf Gott, anstatt Euch der Sünde hinzugeben“, tadelte er ihn. Der junge Mann tat ihm leid, und er konnte seine Sorge um Marie gut verstehen, doch Radulfus’ Befehl war eindeutig gewesen, und er wagte es nicht, sich ihm zu widersetzen.
Ohne ein weiteres Wort kehrte er Robert den Rücken und ließ ihn mit den Novizen allein. Robert hatte keine Wahl. Er sorgte sich um Marie, die am Salzmarkt auf ihn wartete und nicht verstehen würde, warum er nicht käme.
Lustlos schabten die Novizen die Buchstaben von dem teuren Pergament, das zu kostbar war, um es fortzuwerfen. Wenn die Buchstaben sorgfältig abgeschabt wären, würde man es wiederverwenden können. Es war eine ungeliebte und mühsame Arbeit, die aber von irgendjemand getan werden musste.
Es kam Robert wie eine Ewigkeit vor, bis die Glocken endlich die Vesper einläuteten und die Novizen das Scriptorium verlassen durften.
Robert eilte zum Salzmarkt. Wie er befürchtet hatte, war Marie längst gegangen. Er lief zurück zur Kathedrale, doch auch dort konnte er sie nirgends finden. Am liebsten wäre er zu ihr nach Hause gegangen, doch er wusste, dass das unmöglich war, wollte er Marie nicht in ernsthafte Schwierigkeiten bringen.
Vor dem Portal traf er auf Bernard, der ihm freundschaftlich den Arm um die Schulter legte und bester Laune war. Sein Vater hatte ihm eine größere Summe Geldes gesandt, und er konnte sich endlich wieder in den Schenken amüsieren, ohne auf jeden einzelnen Sous achten zu müssen.
„Was für ein Furz sitzt Euch denn quer?“, fragte Bernard nach einem Blick in Roberts grimmiges Gesicht und bedachte ihn mit einem aufmunternden Lächeln. Insgeheim bewunderte er Robert wegen dessen Gelehrsamkeit, vor allem aber war er ihm für die Geduld dankbar, die er aufgebracht hatte, um ihm die Grundlagen der Arithmetik und Geometrie zu erklären. Ohne Robert hätte er sein Studium schon längst aufgegeben, aber Robert war es im Laufe der Zeit sogar gelungen, ein wenig Begeisterung für die hohen Künste der Wissenschaft in ihm zu wecken.
Robert überlegte einen Moment. Bernard war der einzige Freund, den er hier hatte, und wenn er auch oft den Anschein erweckte, leichtfertig zu sein, wusste Robert doch, wie mitfühlend und treu er sein konnte. Ob er es wagen konnte, sich ihm anzuvertrauen? Er beschloss, das Risiko einzugehen, vielleicht würde Bernard ihm ja tatsächlich einen Rat geben können.
„Es gibt tatsächlich etwas, das mir Sorgen bereitet. Ich kann doch auf Eure Verschwiegenheit zählen?“
Bernard hob übertrieben
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