Die Blutgabe - Roman
ihn.
Die Tür fiel hinter Red ins Schloss.
Célestes Hand war verschwunden – und mit ihr die Musik.
Red kämpfte gegen die Angst an, die mit einem Mal wiedernach ihm greifen wollte. Er rüttelte an der Klinke – vergeblich.
Es gab kein Zurück. Die Tür war verschlossen.
Mit zaghaften Schritten stieg Red die knarrenden Stufen hinauf.
Am Ende der Treppe erstreckte sich ein enger Korridor, der ebenfalls von Kerzen beleuchtet wurde. Zwei Türen gingen auf jeder Seite von ihm ab – doch Red spürte, dass sein Ziel noch weiter über ihm lag. Dort, am Ende der Wendeltreppe, die in den Turm hinaufführen musste …
Bleib nicht stehen!
Die Stimme war wieder da und umschmeichelte ihn lockend. Sie war jetzt so nah, dass Red jedes Wort ohne Mühe verstehen konnte.
Komm zu uns. Du hast es bald geschafft. Aber das letzte Stück des Wegs musst du allein gehen. Nur aus eigenem Willen und eigener Kraft kannst du uns erreichen.
Red schluckte die Angst herunter, die als hartnäckiger Klumpen in seiner Kehle gesessen hatte. Es war doch sein eigener Wille! Sein Entschluss stand ihm nun wieder deutlich vor Augen. Dies war die Prüfung, wurde ihm schlagartig klar. Er war bereits mitten darin. Er musste sie bestehen, damit er lernen konnte. Lernen – und Blue finden.
Und obwohl sein Herz noch immer aufgeregt flatterte, stieg er mit festem Schritt die Wendeltreppe hinauf.
Silbernes Mondlicht beleuchtete matt die vier Gestalten, die in der Kammer unter dem Dach des Turms auf ihn warteten.
Céleste.
Hannah.
Tony.
Und Kris.
Befangen blieb Red auf der Schwelle stehen, ohne sich unaufgefordert näher an die Vampire heranzuwagen. Die Luft im Raum war getränkt mit uralter Macht, die die Gestalten umgab wie eine dunkel schimmernde Aura. Céleste allein hob sich von den anderen ab, leuchtete in ihrem eigenen Licht wie eine Elfenbeinperle inmitten ihrer Schwestern aus schwarzem Glas. Sie lächelte und winkte ihn näher.
»Du bist gekommen.«
Der leise Klang ihrer Stimme brachte die stille Luft zum Schwingen, und Red spürte, wie ihr Lied ihn erneut gefangen nahm. Es hatte keinen Sinn, sich dagegen zu wehren, und er wusste es – wollte es auch gar nicht versuchen.
»Also hast du dich entschlossen, bei uns zu bleiben?« Céleste lächelte noch immer, und tief in seinem Inneren spürte Red, dass diese Freude rein und ehrlich war.
Er nickte, ohne zu zögern. »Ja, das habe ich.« Verglichen mit ihrer klang seine Stimme dünn und zerbrechlich.
Céleste trat noch näher an ihn heran.
»Das freut mich, Red«, sagte sie leise, ohne ihren Blick von seinem zu lösen. »Dann wird es jetzt Zeit, dich bei den
Bloodstalkers
aufzunehmen – falls du bereit bist, den Bund, den du dadurch knüpfen wirst, einzugehen – mit allen Pflichten und Vorzügen, die dadurch zu deinen werden. Willst du das?«
Red wusste, er hätte fragen sollen, worin diese Pflichten bestanden – oder auch nur, was die Vorzüge sein würden. Aber die Worte entglitten ihm, bevor er sie fassen konnte. Es war nicht wichtig, begriff er. Es würde an seiner Entscheidung nichts ändern.
Er schluckte trocken. »Ja«, flüsterte er.
Célestes kühle Hand griff nach seiner. »Dann werden wir dich jetzt prüfen.« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Wispern, doch es schien direkt in Reds Kopf zu erklingen, ihn vollkommen auszufüllen, bis für nichts anderes mehr Raum in ihm war als für den Klang ihrer Worte.
Sie führte ihn zu einer Liege, die an der Wand unter dem Fenster stand, und bedeutete ihm, sich auf den Rücken zu legen. Mit weichen Gliedern folgte Red ihrer Aufforderung. Céleste sah auf ihn herab. Ihre noch immer zu einem Lächeln entblößten Zähne glänzten im Mondlicht. Dann glitten ihre Finger langsam in seinen Kragen, wo sie für endlos scheinende Momente auf seiner Halsschlagader liegen blieben.
»Stark bist du«, murmelte sie, bevor sie sich zu ihm herunterbeugte und die Lippen auf seine Haut legte, wo kurz zuvor noch ihre Finger gewesen waren. Red spürte, wie er vor Erwartung zu zittern begann. Als er endlich die Nadelstiche ihrer Zähne spürte, entwich ihm ein erregtes Stöhnen, das ihn selbst erschreckte. Für einen wundervollen Augenblick füllte ihr Lied ihn mit goldenem Licht. Doch Céleste löste sich von ihm, noch bevor der Rausch ihn mit sich reißen konnte, und stieß ihn zurück in die Kälte der Turmkammer.
»Hannah«, wisperte sie und trat mit einem lautlosen Schritt beiseite.
Hannahs Gesicht tauchte über Red aus der Finsternis
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