Die Blutgabe - Roman
entglitten war – hatte sie Kris’ Hand in seine gelegt.
Er war Kris zugeteilt worden. Kris. Nicht Céleste.
Red war darüber zugleich verzweifelt und erleichtert. Er hatte sich so sehr danach gesehnt, dass Céleste von ihm trank, dass es ihm beinahe Tränen in die Augen trieb, wenn er daran dachte, dass sie das nun vermutlich niemals wieder tun würde.
Dennoch hatte er sich in Kris’ Dunkelheit so sicher gefühlt. Céleste hatte die richtige Entscheidung getroffen, das spürte Red deutlich. Auch wenn es ihn noch so sehr schmerzte.
Kris beobachtete ihn noch immer aus seinen schwarzen Augen.
»Ich lasse dich gleich wieder allein«, erklärte er, als wolle er Red beruhigen. »Ich wollte nur sicherstellen, dass es dir gut geht.«
Red nickte und zwang ein Lächeln auf sein Gesicht.
»Danke.« Seine Stimme kratzte in seiner Kehle, die rau war, als hätte er tagelang Durst gelitten. »Ich bin in Ordnung, glaube ich.«
»Ja, das bist du«, stimmte Kris zu. Eine Weile betrachtete er Red nachdenklich.
»Ich freue mich, dass du meine Quelle sein wirst«, sagte er schließlich. »Wie Céleste sagte – du bist sehr stark. Vielleicht sogar noch stärker als deine Freundin.«
Red spürte seinen Atem für einen Moment stocken. Richtig! Kris wusste ja von Blue!
»Ich …« Er biss sich auf die Lippe und brach ab.
»Du bist nur wegen ihr hier, ich weiß.« Kris’ Stimme klang sanft. »Wir alle wissen das. Aber das macht nichts.«
Red holte überrascht Luft. »Ihr alle?«, fragte er entgeistert. »Aber wie …«
»Nur die Vampire.« Kris lächelte. »Keine Sorge. Was du den anderen Menschen über dich erzählst, bleibt deine eigene Sache. Aber Céleste hat natürlich mit uns über dich gesprochen.«
Red spürte, wie sich ein Kloß in seiner Kehle bildete.
»Ich … ich muss sie unbedingt finden!«, brach es plötzlich aus ihm hervor, ohne dass er sich dagegen wehren konnte. Mit einem Mal hatte er ein überwältigendes Verlangen danach, die ganze Angst, Sehnsucht und Verzweiflung, die ihn seit Monaten quälten, mit jemandem zu teilen. Kris kannte Blue. Er hatte gewollt, dass sie Teil der
Bloodstalkers
wurde. Er würde ihn verstehen. »Ich habe es ihr versprochen!«
Kris sah ihn nachdenklich an. »Sie bedeutet dir sehr viel«, stellte er leise fest.
Red holte tief Atem. Er konnte keine Worte finden, die beschrieben hätten, wie viel Blue ihm wirklich bedeutete oder was sie für ihn war. Aber Kris schien es auch so zu begreifen. In seinen Augen sah Red die Wärme und das Mitgefühl, das er in den letzten Wochen seit Blues Verschwinden so dringend gebraucht hätte – auch wenn er sich dessen bis eben nicht einmal bewusst gewesen war.
»Ich muss sie finden«, wiederholte er. »Sie muss da draußen noch irgendwo sein. Ich darf nicht zu lange warten, verstehst du? Ich … ich habe Angst … Ich muss …« Er brach ab, bestürzt von den Worten, die sich seinen Hals hinauf nach oben drängten. Beinahe hätte er verraten, dass er plante, wieder fortzugehen! Aber das durfte er natürlich nicht, ganz egal, wie freundlich Kris zu ihm war. Wenn die Vampiredavon erfuhren, würden sie Red am Ende nicht helfen. Und Red brauchte diese Hilfe. Unbedingt. Er konnte es nicht allein schaffen.
Kris schien sein Stocken zum Glück nicht zu verwundern. Er antwortete nicht sofort, sondern wandte nur den Blick ab, um aus dem Fenster zu sehen.
»Ich weiß nicht, ob es dich beruhigt«, sagte er schließlich leise. »Aber ich kann dir sagen, dass in Kenneth recht viele wilde Menschen leben. Sie haben ihren eigenen Weg gefunden, sich gegen die Bluter zur Wehr zu setzen und sich vor den Jägern zu verbergen, die sie auf die OASIS bringen wollen. Wenn deine Blue bei ihnen Schutz gefunden hat – dann ist sie mit hoher Wahrscheinlichkeit noch am Leben.«
Red starrte ihn wortlos an. Sein Herz begann, aufgeregt zu pochen. Das war mehr, viel mehr, als er zu hören gehofft hatte. Blue war bei den wilden Menschen in der Stadt. Sie musste einfach dort sein. Red weigerte sich, einen anderen Gedanken zuzulassen.
»Allerdings«, fügte Kris mit ruhiger Stimme hinzu, »wird es dann auch schwieriger, sie zu finden. Wie gesagt, diese Menschen sind darauf spezialisiert, sich vor Vampiren zu verbergen. Und sie sind sehr gut darin.«
Es gelang Red nur mühsam, sich von seiner Euphorie loszureißen. Schwierig! Nichts war zu schwierig, so lange es nicht unmöglich war! Trotzdem nickte er und bemühte sich, vernünftig zu bleiben. Aber sein Entschluss, so
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