Die Blutgabe - Roman
sah Chase fassungslos zu, wie er weitere Blutkonserven aus dem Rucksack zerrte.
»Hier, hilf mir mal.« Er warf Red einen Beutel zu. Dann schlitzte er selbst einen weiteren auf und leerte ihn am Fenster aus, so dass das Blut die Hauswand hinunterlief.
Red räusperte sich. Er hatte das Gefühl, nicht einen Ton mehr herausbringen zu können, so trocken war sein Mund mittlerweile.
»Ich hab doch kein Messer«, murmelte er.
Chase wandte sich kurz zu ihm um. »Dann nimm die Zähne«, sagte er nur und schüttete mehr Blut aus dem Fenster.
Red atmete tief durch. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig …
Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend hob er den Beutel zum Mund und biss zu. Zog. Zerrte.
Und dann riss das Plastik. Blut spritzte ihm ins Gesicht. Troff über seine Hände auf den Boden und seine Füße.
»Raus damit!«, zischte Chase.
Hastig stürzte Red zum Fenster und warf. Ein weiteres Platschen.
Zwei große dunkle Lachen waren nun unten auf derStraße im Nebel zu erahnen. Und eine blutige Spur führte die Wand hinauf direkt zu ihnen.
»Dürfte reichen«, sagte Chase.
»Reichen …?«, wiederholte Red und wischte sich über die blutverschmierte Stirn.
»Wirst schon sehen. Kann nicht mehr lange dauern, bis sie auftauchen.« Chase zog seinen Revolver aus dem Halfter und warf einen Blick hinüber zu Red. »Angst?«
Red biss sich auf die Unterlippe. Was für einen Sinn hatte es, zu lügen? Chase würde ihm sowieso nicht glauben.
»Ja«, gab er zu – oder wollte es zumindest. Aber es kam nur ein tonloses Flüstern heraus.
Chase grinste. »Sehr gut. Ich auch. Das gehört dazu. Aber das ist es wert. Das kannst du mir glauben. Es gibt kein besseres Gefühl, als diese Biester fertig zu machen.«
Red starrte ihn ungläubig an. Chase hatte Angst und gab es so leichtmütig zu? Also war es gar nicht schlimm, Angst zu haben?
Chase lachte, aber es klang nicht fröhlich. »Glaub es ruhig. Je mehr Angst du hast, desto besser bist du.«
Er lehnte sich aus dem Fenster und starrte auf die Straße. Red sah seine Hände zittern.
»So«, sagte Chase, und auch in seiner Stimme konnte Red nun ein Beben hören. »Und jetzt geht’s los.«
Etwas in seiner Stimme jagte einen Schauer über Reds Rücken, und er warf ebenfalls einen Blick hinaus.
Dort unten bewegte sich etwas. Zwei schemenhafte Gestalten glitten lautlos durch den Nebel. Umkreisten die Blutlachen auf dem Asphalt.
Red griff nach seinem Revolver.
Bluter
, dachte er.
Da sind sie also.
»Denk dran«, flüsterte Chase. »Dein Job ist es, mir den Rücken frei zu halten. Keine unnötige Zeit aufs Zielen verschwenden. Immer nur draufhalten.«
Red schluckte schwer und schloss einen Moment die Augen, in der Hoffnung, sich dadurch etwas zu beruhigen – als ein kehliges Knurren und Quieken von der Straße zu ihm heraufdrang.
»Ja«, murmelte Chase neben ihm. »Zerfleischt euch gegenseitig, ihr Bastarde.«
Red konnte nicht anders. Er musste wieder hinsehen. Tief unter ihm waren die Bluter aufeinander losgegangen und kämpften um etwas – einen der leeren Plastikbeutel vielleicht.
Plötzlich sah er aus dem Augenwinkel, wie Chase seine Waffe auf die Straße richtete.
Red stockte der Atem. Er wollte schießen? Auf die Entfernung? Und bei der schlechten Sicht?
»Hier oben bin ich, Arschloch«, murmelte Chase – dann zerbarst die Nacht unter dem Krachen eines Schusses.
Ein schrilles Kreischen drohte Reds Ohren zu zerfetzen. Chase lachte höhnisch auf und schoss erneut. Die Kugel explodierte auf dem Asphalt. Und Red begriff. Chase hatte gar nicht die Absicht, jetzt schon einen Bluter zu erledigen. Er wollte sie auf sich aufmerksam machen.
Mit Erfolg.
Einer der Bluter brüllte – ein zorniger Laut, der Red bis in die Knochen erzittern ließ. Fast zeitgleich machten die Gestalten einen Satz. Spinnengleich blieben sie an der Fassade kleben und begannen hinaufzuklettern.
Gelbe Augen starrten zu Red herauf, aus einer grässlich verzerrten Fratze, die einmal ein menschliches Gesichtgewesen sein musste. Der vordere der beiden Bluter hatte sie entdeckt. Lange, spitze Fangzähne glühten in der trübgrauen Dunkelheit.
»Schieß!« Chase feuerte seine Waffe ab. Drei-, vier-, fünfmal in schneller Folge. Der Bluter wich behände aus. Speichel tropfte aus seinen Mundwinkeln, und nun konnte Red auch den anderen sehen, der dichtauf gefolgt war. Ohne weiter darüber nachzudenken, schoss er, bis keine Kugeln mehr in seinem Revolver waren. Der zweite Bluter kreischte
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