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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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keine Zeit, Höhenangst zu haben. Wenn sie den Blutern nicht entkamen … Entschlossen packte er das Seil mit beiden Händen und kletterte nach draußen.
    Der Wind griff nach ihm, kaum dass er den Schutz des Gebäudes verlassen hatte. Seine Füße fanden an der glatten Wand kaum Halt, und das dünne Seil schnitt schmerzhaft in seine Hände. Aber es trug ihn, und das war für den Moment alles, was zählte.
    Mit zusammengebissenen Zähnen kletterte Red aufwärts. Er kam nur quälend langsam voran, und immer wieder fürchtete er, an dem feuchten Seil abzurutschen – als er unter sich Schüsse hörte, gefolgt von Brüllen und Kreischen. Red klammerte sich am Seil fest und zwang sich, nicht nach unten zu sehen. Was passierte dort unten? Wie viele Bluter waren dort? Und was war mit Chase?
    Ein Ruck ging durch das Seil, und für einen schrecklichen Moment glaubte Red, den Halt zu verlieren.
    Weitere Schüsse fielen. Und nun sah er doch nach unten. Chase hing mit einer Hand am Seil. Hinter ihm drängten sich mehrere Bluter durch das Fenster, geiferten und fauchten und kämpften darum, als Erstes die Verfolgung aufzunehmen. Noch zweimal feuerte Chase, und zwei der Bluter stürzten mit gellendem Kreischen in die Tiefe.
    Dann begann Chase zu klettern. Das Seil hatte er in den Gürtel geklemmt und zog es mit sich nach oben. Er war schnell, viel schneller als Red – der nun seinen Blick losriss und ebenfalls wieder zu klettern begann.
    Mittlerweile konnte er das Ende des Seils sehen, das sich auf dem flachen Dach um einen Antennenmast gewickelt hatte, der sich bedenklich unter ihrem Gewicht bog.
    Nicht mehr weit
, dachte Red,
nur noch ein kleines Stück!
    Die Muskeln in seinen Armen brannten vor Anstrengung.
    Chase war inzwischen nur noch ein paar Meter hinter ihm. Doch auch die Bluter hatten die Verfolgung aufgenommen.
    Mit einem letzten Kraftaufwand schwang Red sich über den Rand des Dachs und riss den Revolver aus seinem Halfter. Vier Bluter waren Chase auf den Fersen, die Gesichter zu gierigen Grimassen verzogen.
    Red zielte – schoss – zielte – und schoss, kaum dass er sich richtig klar wurde, was er tat.
    Zwei Bluter fielen von der Wand wie tote Fliegen, und noch hatte er vier Schuss, bevor er nachladen musste. Dann war Chase bei ihm, kroch keuchend über den Rand und rappelte sich auf die Knie.
    Ein weiterer Bluter fiel, als Red mit seinem letzten Schuss endlich sein Gesicht traf.
    Er wich vom Rand zurück – der verbliebene Vampir hatte das Dach fast erreicht und setzte zum Sprung an.
    Red griff an seinen Munitionsgürtel, um nachzuladen. Doch als der Bluter über den Rand schoss, holte ihn ein letzter Schuss von Chase aus der Luft.
    Das Jaulen des Vampirs verklang in einem röchelnden Gurgeln.
    Es war vorbei.
    Schwer atmend ließ Red sich auf den Boden fallen. Er hatte das Gefühl, dass seine Knochen nur noch aus Gelee bestanden, als hätte ihn jemand wie einen nassen Waschlappen ausgewrungen und alle Kraft aus ihm herausgepresst.
    Neben ihm kauerte Chase und atmete in keuchenden Stößen. Er schien ebenso wie Red am Ende seiner Kräfte zu sein. Und doch hatte Red den absurden Eindruck, dass Chase dort saß, blutüberströmt und vollkommen fertig mit der Welt – und lachte.
    Zwischen zwei Atemstößen hob Chase den Kopf und sah Red mit einem Blick an, der der Wildheit der Bluter in nichts nachstand. »Und?«, keuchte er und entblößte die Zähne zu einem Grinsen. »Wie geht’s?«
    Und jetzt erst wurde Red klar, was das wirklich Absurde an dieser Situation war: Auch er verspürte den Drang zu lachen – laut und triumphierend zu lachen.
    Ein Gefühl, berauschender als alles Relacin der Welt, berauschender sogar als Célestes Musik, ließ seinen Körper beben: Hier, in diesem Moment, an diesem Ort – war er frei. Frei und unglaublich stark. Nichts und niemand konnte ihm jetzt noch etwas anhaben.
    Er konnte Chase nicht antworten.
    Aber Chase verstand.
    »Schluss für heute«, sagte er, noch immer atemlos, und stemmte sich auf die Füße. »Gehen wir nach Hause.«
    Red nickte und rappelte sich ebenfalls auf. Nach Hause. O ja. Er würde furchtbar froh sein, wenn er wieder sicher zurück in seinem Zimmer war und die Stadt hinter ihm lag. Aber er begriff nun, was Chase gemeint hatte.
    Die Angst – sie lohnte sich wirklich. Denn wenn diesesHochgefühl der Lohn dafür war, dann würde er sie liebend gern immer wieder in Kauf nehmen.
    Nein, korrigierte er sich selbst, nicht nur in Kauf nehmen.
    Dieser Abend war erst

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