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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hätte.
    Mühsam kämpfte er sich auf die Beine, schlang den Mantel enger
um die Schultern und runzelte die Stirn, als sein Blick dabei zufällig
auf seine Hände fiel. Die Verbrennungen, die er sich am Tag zuvor
zugezogen hatte, waren immer noch deutlich sichtbar. Sie sahen wie
mehrere Tage alte Brandwunden aus, statt, wie erwartet, vollkommen
verheilt zu sein. Andrej ballte die Hände trotz der Schmerzen zu
Fäusten und lauschte in sich hinein. Nein, es war nicht nur die Kälte.
Unter der Schwäche lauerte noch etwas anderes. Er kleidete sich
rasch an und verließ das Zimmer.
    Er spürte, dass Maria nicht im Haus war, aber aus der Küche hörte
er Geräusche. Dort erfüllte ein fremdartiger, aber äußerst angenehmer Duft die Luft. Er entströmte einem Topf, der auf dem Herd vor
sich hin blubberte. Elenja war damit beschäftigt, Brot zu schneiden
und die Scheiben kunstvoll auf einem Teller zu arrangieren, auf dem
sich bereits eine Auswahl an Früchten befand. Andrej fragte sich
vergeblich, woher sie wohl mitten im Winter kamen. Als sie das Geräusch der Tür hörte, sah sie auf und drehte sich mit einem strahlenden Lächeln zu ihm um.
    »Guten Morgen, Herr«, begrüßte sie ihn. »Ich habe Euch doch hoffentlich nicht geweckt! War ich zu laut?«
»Nein«, antwortete Andrej. »Aber du hättest es besser getan. Die
Sonne ist schon aufgegangen.«
»Schon vor einer Weile«, bestätigte Elenja. »Gräfin Berthold hat
mir verboten, Euch zu wecken. Sie sagte, Ihr hättet eine anstrengende
Nacht hinter Euch und würdet jedes bisschen Schlaf brauchen.«
Andrej zog es vor, die Bemerkung zu überhören. »Andrej«, erinnerte er sie. »Gestern hast du mich doch Andrej genannt, wenn ich mich
recht erinnere.«
Elenjas Blick machte deutlich, dass sie nicht die geringste Ahnung
hatte, wovon er sprach. Anscheinend hatte Maria ihr doch mehr genommen als nur die Erinnerung an den Schmerz. Andrej räusperte
sich unbehaglich und schaute auf ihre bandagierten Gelenke.
»Wie geht es deinen Händen?«, fragte er. »Tun sie noch weh?«
»Kein bisschen«, antwortete Elenja. »Die Gräfin hat mir eine Salbe
gegeben, die die Schmerzen vertrieben hat.«
Andrej betrachtete schweigend ihre Verbände. Es waren dieselben,
die Pater Lorenz ihr angelegt hatte.
»Ich war auch wirklich zu ungeschickt«, fuhr Elenja in fröhlich
plapperndem Ton fort. »Wenn die Gräfin mich nicht gefunden hätte,
wäre vielleicht ein Unglück geschehen.«
»Ja, vielleicht«, sagte Andrej. »Was ist denn überhaupt passiert?«
»Ich habe einen Topf zerbrochen und mich an den Scherben geschnitten… glaube ich.«
»Glaubst du?«, wiederholte Andrej.
Elenja nickte heftig. »Ja. Jedenfalls…« Sie stockte und machte ein
ratloses Gesicht. »Genau erinnere ich mich gar nicht«, murmelte sie.
»Seltsam.«
»Dann kann es ja nicht allzu schlimm gewesen sein«, sagte Andrej.
»Trotzdem, sei vorsichtig. Auch kleine Verletzungen können böse
Folgen haben, wenn sie sich entzünden.« Er sog Luft durch die Nase
ein. »Was immer du da kochst, es riecht köstlich. Ruf mich, sobald
es fertig ist.«
»Es dauert nicht mehr lange«, antwortete das Mädchen. Sie lächelte
wieder. »Gräfin Berthold hat mir gesagt, dass Ihr sehr hungrig sein
würdet, wenn Ihr aufwacht.«
Es war die zweite Bemerkung dieser Art, und das gefiel ihm gar
nicht. Er nahm sich vor, deswegen ein paar Worte mit Maria zu
wechseln. »Wo ist sie jetzt?«, fragte er ungehalten.
»Die Gräfin? Ich nehme an, im Stall. Sie wollte sich um Euer Pferd
kümmern. Ich hätte es getan, aber sie hat darauf bestanden, es selbst
zu übernehmen.«
»Dann werde ich besser mal nachsehen, ob sie auch alles richtig
macht«, sagte Andrej und verließ die Küche. Beim Hinausgehen fiel
ihm auf, dass die Kellerklappe offen stand, aber er maß dieser Beobachtung keine weitere Bedeutung bei, sondern wappnete sich innerlich gegen die Kälte. Statt sich mit Elenja über das Essen zu unterhalten, hätte er sie lieber um einen zweiten Mantel oder eine Decke bitten sollen.
Es war nicht so kalt, wie er befürchtet hatte. Dafür erwartete ihn eine andere, womöglich noch unangenehmere Überraschung. Er hatte
nahezu den halben Tag verschlafen. Die Sonne war zwar nur als
verwaschener heller Fleck hinter den Wolken zu erkennen, aber er
sah, dass sie nicht mehr lange brauchen würde, bis sie ihren Zenit
erreicht hatte. Das Essen, das Elenja vorbereitete, war kein Frühstück, sondern das Mittagsmahl.
Er lenkte seine

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