Die Blutgraefin
Dämmerlicht des Waldes kaum gesehen. Ihm
blieb nichts anderes übrig, als auf sein Glück zu vertrauen - und darauf, dass Blanche keinen Grund hatte, plötzlich die Richtung zu ändern.
Nach kurzer Zeit nahm er Lärm wahr. Er kam von sehr weit her,
und Andrej war zunächst unsicher, um was es sich handeln könnte.
Dann aber hörte er das Klirren von Metall und einen einzelnen,
durchdringenden Schrei.
Abu Dun!
Andrej hätte diese Stimme jederzeit und überall erkannt. Plötzlich
ergab alles einen Sinn. Irgendwo vor ihm war ein Kampf im Gange.
Abu Duns wütendem Gebrüll zufolge, stand es nicht gut um seinen
Freund.
Andrej ließ alle Vorsicht fahren, rammte dem Hengst die Absätze
in die Seiten und sprengte los. Das Tier wieherte protestierend, als
Andrej vom Weg abwich und die spitzen Dornen des Unterholzes
blutige Kratzer in seinen Flanken hinterließen. Andrej hatte keine
Zeit, darüber nachzudenken, dass er das treue Tier malträtierte. Vor
ihm kämpfte Abu Dun um sein Leben, und so trieb er den Hengst nur
noch zu größerer Schnelligkeit an.
Das Klirren von Stahl auf Stahl wurde lauter. Er hörte Abu Dun
immer zorniger brüllen. Dann ertönte ein gellender Schmerzensschrei, der Andrej das Blut in den Adern gefrieren ließ!
Verzweifelt spornte er sein Pferd weiter an, brach durch die Zweige
eines verschneiten Gebüschs und riss mit solcher Gewalt an den Zügeln, dass der Hengst sich mit einem schrillen Wiehern aufbäumte
und er um ein Haar den Halt verloren hätte.
Andrej ließ die Zügel los, glitt rücklings aus dem Sattel und landete
sicher auf den Füßen, noch bevor die Hufe des Hengstes den Schnee
unmittelbar neben Abu Duns Kopf aufwirbelten. Das Tier scheute
wieder, und Andrej ließ sich hastig neben Abu Dun auf die Knie fallen und zerrte ihn ein Stück zur Seite. Ein eingetretener Schädel war
selbst für einen Unsterblichen keine Kleinigkeit. Sollte der Gefährte
überhaupt noch am Leben sein…
Trotz der Sorge um Abu Dun, die ihn fast um den Verstand brachte,
sah sich Andrej hastig auf der kleinen Lichtung um. Der Schnee war
zertrampelt und voller Blut. Nur wenige Schritte entfernt lagen zwei
Leichen, möglicherweise eine dritte noch ein Stück weiter weg. Das
konnte Andrej nicht deutlich erkennen. Ihm blieb keine Zeit, genauer
hinzusehen. Sein Pferd gebärdete sich immer wilder. Die Hufe des
Hengstes zertrampelten den Schnee so dicht neben Abu Duns Kopf,
als wolle er ihn umbringen. Andrej sprang auf, riss die Arme in die
Höhe und stieß einen schrillen Ruf aus. Der Hengst fuhr auf der Stelle herum und sprengte wie von Furien gehetzt davon. Andrej ließ
sich hastig wieder auf die Knie sinken und beugte sich über Abu
Dun.
Die Augen des Nubiers standen weit offen und waren glasig. Blut
war aus beiden Mundwinkeln gelaufen. Sein Herz schlug nicht mehr.
Hastig öffnete Andrej den Mantel seines Freundes, tastete über das
blutgetränkte schwarze Gewand, das der Nubier darunter trug, und
riss es schließlich kurzerhand entzwei.
Abu Duns Brust schien eine einzige große Wunde zu sein. Mindestens drei Schwerthiebe hatten seine Lungen durchbohrt, ein weiterer
sein Herz. Es musste eine sehr schmale, rasiermesserscharfe Klinge
gewesen sein, die ihm diese Wunden beigebracht hatte.
Dieselbe Klinge, die auch seine Kehle durchschnitten und seine linke Hand abgetrennt hatte.
Der Anblick traf Andrej wie ein Schlag. Abu Duns linker Arm endete zwei Handbreit unter dem Ellbogengelenk in einem blutigen
Stumpf. Der Schnitt war so sauber, als sei er von einem geschickten
Medicus mit einem chirurgischen Präzisionsinstrument ausgeführt
worden. Aus der durchtrennten Ader floss kaum noch Blut, da sein
Herz nicht mehr schlug.
Andrej fühlte sich, als ob eine eiskalte, unsichtbare Hand sich um
sein Herz und seine Kehle schlösse und ihm ebenso lautlos wie unbarmherzig die Luft abschnürte.
Abu Dun war schon oft verletzt worden, aber noch nie so schwer -
und niemals zuvor war einer von ihnen verstümmelt worden.
Er hockte wie gelähmt da, starrte die erloschenen Augen des nubischen Riesen an und wartete darauf, dass das Leben in sie zurückkehrte. Abu Duns Augen blieben groß und leer. Sie waren keine
Fenster zu seiner Seele mehr, sondern nur noch totes Fleisch, das nie
wieder zum Leben erwachen würde.
Abu Dun war tot.
Andrej schrie verzweifelt auf, riss die Arme in die Höhe und schlug
die geballten Fäuste mit aller Kraft auf die zerstörte Brust des Nubiers. Er spürte, wie dessen
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