Die Blutgraefin
hatte, und fiel dann zur Seite in
den Schnee.
Auch Abu Dun taumelte zurück und fiel auf die Knie. Keuchend
vor Schmerz und Anstrengung, versuchte er das Schwert aus seiner
Brust zu ziehen, aber es gelang ihm erst, als Andrej ihm half. Abu
Dun kippte nach vorn, fing seinen Sturz im letzten Moment mit der
linken Hand ab und spuckte blutigen Schleim in den Schnee.
»Alles in Ordnung?«, fragte Andrej beklommen. Hastig ließ er sich
neben dem Nubier auf die Knie sinken, öffnete dessen Mantel und
betastete die erstaunlich harmlos aussehende, schmale Wunde dicht
unterhalb seines Herzens. Sie blutete schon nicht mehr so heftig wie
zuvor, aber Andrej verzog trotzdem besorgt das Gesicht. »Das
kommt wieder in Ordnung«, sagte er rasch. »Aber es war knapp.«
»Ach?«, keuchte Abu Dun. »Stell dir vor, das wäre mir gar nicht
aufgefallen. Sag mir lieber, wer dieser Kerl war.« Er versuchte sich
aufzusetzen, aber seine Arme knickten weg, und Andrej musste ihm
helfen, die zwei, drei Meter bis zum nächsten Baum zu kriechen,
gegen den er sich lehnen konnte.
»Du hast Recht«, stöhnte er, während er den Hinterkopf gegen den
eisverkrusteten Stamm sinken ließ und die Augen schloss. »Das war
knapp. Für meinen Geschmack eindeutig zu knapp.«
Andrej warf nur einen flüchtigen Blick zu der weiß gekleideten
Gestalt hin, die reglos ausgestreckt im Schnee hinter ihnen lag, bevor
er sich wieder zu Abu Dun umdrehte. Der Nubier bot einen erbärmlichen Anblick. Seine Kleider hingen in Fetzen, und jeder Schnitt und
jeder Riss in dem schwarzen Stoff stand für einen Schnitt oder Stich,
den ihm der Namenlose zugefügt hatte, und für eine Wunde, durch
die er Blut und Energie verloren hatte. Abu Duns erstaunliche Kräfte
mochten genau wie seine eigenen dazu im Stande sein, Verletzungen
zu überstehen, an denen jeder andere Mensch gestorben wäre, aber
sie beide waren weder wahrhaft unsterblich, noch waren ihre Kraftreserven unerschöpflich. Ein Stich so unmittelbar in der Nähe des
Herzens konnte selbst einem Vampyr gefährlich werden. Auch Andrejs Herz raste immer noch. Er fühlte sich so ausgelaugt und erschöpft wie seit langer Zeit nicht mehr.
»Schade, dass du ihn getötet hast«, sagte er nachdenklich.
Abu Dun zog eine Grimasse. »Oh, entschuldige bitte«, erwiderte er.
»Ich hätte ihn einfach bitten sollen, mir sein Schwert zu geben.«
»So war das nicht gemeint«, sagte Andrej rasch. »Du hast vollkommen richtig gehandelt. Ich hätte ihn nur gerne gefragt, was er
eigentlich ist.« Auf jeden Fall kein Mensch, dachte er. Menschen
hinterlassen Spuren im Schnee, und sie bewegen sich auch nicht auf
diese Weise.
Abu Dun starrte ihn einen Moment lang finster an, dann richtete
sich sein Blick unvermittelt auf einen Punkt hinter ihm, und etwas in
seinen Augen erlosch. »Warum tust du es dann nicht einfach?«, fragte er matt.
Andrej fuhr so hastig in der Hocke herum, dass er fast das Gleichgewicht verloren hätte. Nach einem Blick in Abu Duns Augen hätte
er nicht mehr überrascht sein dürfen, aber er war es.
Was er sah, war vollkommen unmöglich. Es wäre selbst dann unmöglich gewesen, wenn der Namenlose kein Mensch, sondern ein
Unsterblicher wie Abu Dun und er gewesen wäre. Abu Dun hatte
ihm den Säbel nicht nur ins Herz gestoßen, sondern die Klinge auch
stecken lassen, wodurch man selbst einen Vampyr zuverlässig umbrachte.
Dennoch lebte er! Und nicht nur das. Er hatte die Waffe offensichtlich aus eigener Kraft aus seiner Brust gezogen und stand auf. Sein
ehemals blütenweißes Wams war zerschnitten und mit Blut getränkt,
und er schwankte leicht hin und her. Dennoch wirkte er eher verärgert.
»Dein tumber Freund hat Recht«, warf er ein. »Du hättest mich fragen können. Nicht dass ich dir geantwortet hätte - aber es wäre einfach höflicher gewesen.« Er sah an sich herab, steckte den Finger
durch einen Schnitt in seinem Wams und sah Andrej dann vorwurfsvoll an. »Das war nun wirklich nicht nötig. Habt ihr beiden überhaupt eine Ahnung, wie teuer eine solche Jacke ist?«
Andrej stand langsam auf und zog sein Schwert. Neben ihm versuchte sich auch Abu Dun in die Höhe zu stemmen, aber seine Kraft
reichte dazu nicht aus. Er sank zurück und rang qualvoll nach Luft.
Der Namenlose schüttelte beinahe mitleidig den Kopf.
»Hat dir dein Lehrmeister nicht beigebracht, dass man seine Unverwundbarkeit niemals als Waffe einsetzen darf?«, fragte er tadelnd.
»Was willst du von uns?«, fragte Andrej.
Weitere Kostenlose Bücher