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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Säbel aus einer Schneeverwehung aus und
schleuderte die Waffe - ohne hinzusehen - in ihre Richtung. Sie bohrte sich kaum eine Handbreit neben Abu Duns verletzter Schulter in
den Boden
und blieb zitternd stecken. »Nimm deinen großen tölpelhaften
Freund und geh nach Hause.«
Andrej atmete auf. Auch wenn ihn die scheinbare Leichtigkeit, mit
der der Fremde Abu Dun besiegt hatte, noch immer schockierte, so
hatte er doch keine Angst vor diesem unheimlichen Mann. Abu Dun
hatte ihn unterschätzt - ihm selbst an seiner Stelle wäre es vermutlich
ganz genauso ergangen -, aber er blieb ein sterblicher Mensch aus
Fleisch und Blut, kein ernsthafter Gegner für Wesen, wie sie es waren. Andrej traute sich ohne weiteres zu, ihn zu besiegen.
Aber er wollte nicht kämpfen. Es wäre sinnlos gewesen. Welchen
Nutzen hätten Abu Dun und er davon gehabt, diesen Mann zu töten?
Er hob zur Antwort nur die Schultern, aber das schien dem Mann in
dem weißen Mantel durchaus zu genügen, denn er reagierte mit einem ebenso knappen, angedeuteten Nicken und schob sein Schwert
in die Scheide.
Andrej registrierte flüchtig, dass er sich getäuscht hatte. Die Scheide bestand nicht aus weißem Leder, wie er zunächst angenommen
hatte, sondern aus weißem Holz, so sorgsam und lange poliert, bis es
wie Seide glänzte. Überhaupt handelte es sich um eine außergewöhnliche Waffe. Der Griff, der ihm übermäßig lang zu sein schien - vermutlich, damit man die Waffe sowohl als Ein-, wie als Zweihänder
benutzen konnte -, bestand offensichtlich aus weißem Elfenbein und
war mit kunstvollen Schnitzereien verziert. Er hatte keine Griffstange. Wenn man daran abrutschte, dachte Andrej, würde man es kaum
vermeiden können, sich ein paar Finger an der eigenen Waffe abzuschneiden. Er hatte die Leichtigkeit, mit der der Stahl durch den dicken Stoff von Abu Duns Mantel und das Fleisch darunter geglitten
war, nicht vergessen. Die Waffe musste unglaublich scharf sein.
Sein interessierter Blick entging seinem Gegenüber nicht. In den
Augen des Weißhaarigen blitzte es amüsiert auf, doch er sagte nichts,
sondern trat nur einen weiteren Schritt zurück und blieb in einer Haltung stehen, die auf sonderbare Weise entspannt und aufmerksam
zugleich wirkte.
Wind kam auf und bauschte seinen Mantel, sodass er für einen
Moment tatsächlich wie ein riesiger weißer Vogel aussah, der träge
die Flügel spreizte und sie dann wieder zusammenfaltete, ohne sich
in die Luft zu schwingen. Einen unfassbar kurzen Augenblick lang
blitzte ein Gedanke in Andrejs Bewusstsein auf; eine Erkenntnis von
ungeheurer Tragweite, die er aber nicht recht zu fassen bekam. Es
war ein beunruhigendes Gefühl. Irgendetwas unglaublich Wichtiges
hatte er übersehen. Der Gedanke entglitt ihm immer wieder, sobald
er danach zu greifen versuchte.
Mit einiger Mühe riss er seinen Blick von der weiß gekleideten
Gestalt los und steckte sein Schwert weg, während er sich bereits zu
Abu Dun umdrehte und neben ihm in die Hocke sank. Der Schnee, in
dem der Nubier lag, war rot verfärbt von seinem Blut, aber die Wunde in seiner Schulter hatte sich bereits wieder geschlossen. »Bleib
liegen, bis er verschwunden ist«, raunte er. »Er muss nicht sehen,
was wir sind.«
»Keine Sorge«, knurrte der Nubier. »Er wird es niemandem erzählen können!« Gleichzeitig streckte er die Hand nach seinem Säbel
aus, der neben ihm im Boden steckte, benutzte ihn als Krücke, um
sich heftig schnaubend in die Höhe zu arbeiten, und schloss dann die
Hand fester um den Griff des gewaltigen Krummsäbels. Er schwankte ein wenig, stand aber halbwegs sicher auf seinen Beinen. Andrej
stieß eine stille Verwünschung aus. Spätestens jetzt musste der Namenlose begreifen, dass er keinem normalen Menschen gegenüberstand.
Was ihn jedoch nicht im Geringsten zu überraschen schien. Als
Andrej forschend in das Gesicht des Fremden blickte, war alles, was
er darin las, eine Mischung aus Verachtung und überheblicher
Selbstsicherheit, die auch in ihm den Wunsch wachrief, dieses arrogante Grinsen mit einem Fausthieb auszulöschen.
Dennoch sagte er: »Abu Dun, du…«
Abu Dun versetzte ihm einen Stoß mit der flachen Hand, der ihn
zwei Schritte zurücktaumeln ließ und zu Boden geworfen hätte, wäre
er nicht gegen Abu Duns Pferd geprallt, das mit einem unwilligen
Wiehern darauf reagierte und so heftig mit den Vorderhufen aufstampfte, dass der Schnee stob. Auch an dieser Beobachtung war
etwas bedeutsam, aber

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