Die Blutgraefin
Fremden schienen nicht
nachzulassen. Er bewegte sich immer schneller, tänzelte leichtfüßig
um den Nubier herum und entkam dessen wütenden Hieben immer
wieder. Andrej beschlich der Verdacht, dass er mit seinem Gegner
nur spielte und sein wirkliches Können noch gar nicht gezeigt hatte.
Die beiden ungleichen Gegner umkreisten einander schneller und
schneller. Abu Duns Pferd scharrte immer noch nervös im Schnee,
und dann… war es ihm plötzlich klar.
Es war der Schnee!
Dort, wo die beiden Männer kämpften, war der Schnee längst zertrampelt und zu rotbraunem Matsch geworden. Hinter ihnen waren
deutlich die Spuren zu sehen, die ihre Pferde hinterlassen hatten. Aber rechts und links des Kampfplatzes und auch dahinter war die
Schneedecke vollkommen unversehrt.
Das war es, was mit diesem unheimlichen Fremden nicht stimmte:
Er hatte keine Spuren im Schnee hinterlassen.
Andrej verschwendete keine Zeit damit, Abu Dun eine Warnung
zuzurufen, sondern riss sein Schwert aus dem Gürtel und griff ohne
die geringste Vorwarnung an. Seine Klinge zielte genau zwischen die
Schulterblätter des Namenlosen und bewegte sich dabei so schnell
und lautlos wie eine Schlange. Er musste einfach treffen!
Aber er traf nicht.
Sein Gegner war von einem Sekundenbruchteil auf den anderen einfach nicht mehr da! Andrej stolperte haltlos nach vorn und musste
einen hastigen Schritt zur Seite machen, um nicht vom Schwung seiner eigenen Bewegung von den Füßen gerissen zu werden. Noch
während er mit wild rudernden Armen um sein Gleichgewicht
kämpfte, hörte er hinter sich einen dumpfen Laut - Abu Dun warf
sich gegen den Namenlosen und rettete ihm damit vermutlich das
Leben.
Andrej wirbelte herum, war mit einem raschen Schritt neben Abu
Dun und revanchierte sich, indem er die Klinge des Angreifers zur
Seite schlug, die sich nur einen halben Atemzug später in Abu Duns
Leib gebohrt hätte.
»Danke«, keuchte Abu Dun. »Woher dieser plötzliche Sinneswandel?«
Andrej wich rasch zur Seite aus und parierte einen Schwerthieb,
bevor er antwortete. »Er ist kein Mensch - gib Acht!«
Trotz seiner Warnung entging Abu Dun dem aufwärts geführten
Stich des Namenlosen nur durch pures Glück. Er taumelte zurück
und riss seinen Gefährten mit sich um. Der Fremde trat mit aller Gewalt zu und traf Andrej seitlich am Kopf. Der Schmerz raubte ihm
kurz das Sehvermögen. Er strauchelte, wurde noch einmal getroffen
und wehrte den nächsten Schwerthieb mit einer instinktiven Bewegung ab. Dennoch hätte ihn der Fremde zweifellos getroffen, wäre es
nicht diesmal Abu Dun gewesen, der ihn beschützte und sich dabei
selbst eine weitere, heftig blutende Wunde einhandelte.
»Verdammt, das reicht mir jetzt allmählich!«, keuchte Abu Dun.
»Wer ist dieser Kerl?!«
Jemand, der keine Spuren hinterlässt, dachte Andrej. Und der sich
schneller bewegt als ein Geist. Er antwortete nicht laut - schon, weil
sie selbst zu zweit alle Mühe hatten, sich den unheimlichen Angreifer
vom Leib zu halten. Weder Abu Dun noch er nahmen irgendwelche
Rücksicht, und sie waren beide überragende Schwertkämpfer. Dennoch waren sie es, die sich mehr und mehr in die Defensive gedrängt
sahen. Der Namenlose bewegte sich mit gespenstischer Lautlosigkeit, seine Schläge prasselten mit immer größerer Kraft und Präzision auf Abu Dun und Andrej herab. Sein Schwert bewegte sich so
schnell, dass Andrej die Klinge kaum sah, durchbrach aber immer
wieder seine Deckung und grub sich tief in sein Fleisch.
Andrej taumelte zurück, als die rasiermesserscharfe Klinge sein
Bein aufschlitzte. Beinahe gleichzeitig wurde Abu Dun getroffen.
Diesmal jedoch wich er nicht zurück, sondern warf sich noch weiter
nach vorn.
Der Nubier brüllte vor Schmerz, als die Schwertklinge seinen Körper durchbohrte und dabei sein Herz nur knapp verfehlte. Trotzdem
machte er einen weiteren unsicheren Schritt, packte den Weißhaarigen an der Schulter - und rammte ihm seinerseits den Säbel in den
Leib.
Der Weißhaarige riss entgeistert die Augen auf. Andrej las in ihnen
eine Mischung aus vollkommener Fassungslosigkeit, Unglauben und
einem grässlichen, nie gekannten Schmerz. Er wollte etwas sagen,
aber über seine Lippen kam nur ein unartikuliertes Stöhnen und dann
ein Schwall sonderbar hellroten Blutes. Seine Hand ließ das Schwert
los, das noch immer aus Abu Duns Brust ragte. Unendlich langsam
brach er in die Knie, umklammerte mit beiden Händen den Säbel,
den Abu Dun ihm ins Herz gestoßen
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