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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vertreiben. »Von einem der
Höfe, von denen ich Euch erzählt habe, ist eine junge Magd verschwunden. Sie ist nie wieder aufgetaucht.«
»Und Ihr glaubt, sie ist auch getötet worden?«
»Möglicherweise«, antwortete Lorenz. Er wies auf eine schmale
Seitentür, die vermutlich zur Sakristei führte. »Es hieß, sie hätte eine
Liebschaft mit einem jungen Mann aus dem Nachbardorf, der seither
ebenfalls verschwunden ist. Vielleicht sind die beiden zusammen
weggegangen. Vielleicht sind aber auch beide tot.«
Sie hatten die Tür erreicht. Dahinter lag tatsächlich eine winzige
Sakristei, die der Geistliche jedoch mit schnellen Schritten durchquerte, um eine weitere Tür zu öffnen, die in das angebaute kleine
Pfarrhaus führte. Andrej hatte es flüchtig von draußen gesehen und
wusste, dass es nicht viel größer als der Pferdestall des Gasthauses
war. Umso überraschter war er festzustellen, wie behaglich der kleine Raum eingerichtet war. Es gab ein Bett, einen großen Schrank mit
geschnitzten Türen und einen schweren Eichentisch mit vier dazu
passenden Stühlen, die jedem Herrenhaus Ehre gemacht hätten. In
dem kleinen Kamin prasselte ein Feuer, und auf dem Tisch standen
hölzerne Schalen mit Brot, getrocknetem Fleisch und gedünstetem
Gemüse, dazu ein bauchiger Krug und zwei Trinkbecher, die vermutlich aus purem Silber bestanden. Pater Lorenz schien keine Zweifel
gehegt zu haben, dass er seiner Einladung folgen würde.
»Nehmt Platz, Andrej«, forderte ihn der Geistliche auf. »Es ist nicht
viel, was ich Euch anbieten kann, aber es kommt von Herzen.«
Während Andrej sich setzte, nahm er die Einrichtung des kleinen
Zimmers genauer in Augenschein. Alles hier kam ihm auf seltsame
Weise vertraut vor. Stil und Qualität der Möbel entsprachen so genau
dem, was er in Marias Schloss gesehen hatte, dass es wohl kaum ein
Zufall sein konnte. Um seinen Verdacht zu überprüfen, griff er nach
Krug und Becher und schenkte sich einen Schluck Bier ein. Er hatte
richtig vermutet: Beides bestand aus massivem, schwerem Silber.
»Ich hoffe doch, Ihr schwärzt mich jetzt nicht bei der Gräfin an«,
sagte Lorenz mit einem flüchtigen Lächeln, während auch er Platz
nahm.
»Eine weitere kleine Sünde, Pater?«, erwiderte Andrej im gleichen
Tonfall. »Gegen welches Gebot habt Ihr hier verstoßen?«
»Oh, die Sachen sind nicht gestohlen«, sagte Lorenz im Tonfall gespielter Empörung. »Sie sind ein Geschenk eines großzügigen Gemeindemitglieds.«
»Lasst mich raten«, sagte Andrej. »Sein Name war nicht zufällig
Ulric?«
Lorenz grinste und brach sich ein Stück Brot ab. »Er und seine Familie haben der Kirche diese Dinge geschenkt, jawohl«, bestätigte er.
»Nachdem sie sie vorher im Schloss gestohlen hatten«, vermutete
Andrej.
»Es stand ein halbes Menschenleben lang leer«, sagte Lorenz. »Wie
kann man etwas stehlen, das niemandem gehört?«
Auch Andrej nahm sich ein Stück Brot. In der Behaglichkeit der
Stube, mit der wohltuenden Wärme des Feuers im Rücken, spürte er
auch wieder die Müdigkeit, die sich in seinem ganzen Körper auszubreiten begann, als fließe mit einem Mal Blei durch seine Adern. Er
griff erneut zu, nahm sich noch ein Stück Brot und eine Frucht, die
zwar so verschrumpelt war, dass er nicht mehr erkennen konnte,
worum es sich eigentlich handelte, aber dennoch köstlich schmeckte.
Auch das Bier war weitaus besser als das, was man ihm im Gasthaus
vorgesetzt hatte. Dann forderte er Lorenz mit einer Kopfbewegung
auf weiterzusprechen. »Erzählt mir alles.«
»Sehr viel mehr als das, was Ihr bereits wisst, gibt es nicht zu erzählen«, antwortete Lorenz. »Irgendetwas tötet die Menschen hier.
Wir wissen nicht, was. Aber es wird nicht aufhören.«
Und woher wusste er das?, fragte sich Andrej. »Warum habt Ihr
niemanden um Hilfe gebeten?«, erkundigte er sich. »Geht in die
Stadt. Es muss doch jemanden geben, der…«
»Den Baron, ja!« Lorenz gab sich keine Mühe, die Verachtung in
seiner Stimme zu verhehlen. »Den gibt es. Einmal im Jahr hören wir
sogar von ihm.« Er schnaubte. »Immer dann, wenn er seinen Steuereintreiber schickt, um den Zehnten zu fordern.«
»Dann hat Gräfin Berthold das Schloss von ihm gekauft?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Lorenz. »Einfache Leute wie uns
gehen solche Dinge nichts an.«
»Aber alles hat begonnen, nachdem sie und ihr Begleiter hierher
gekommen waren?«
Der Geistliche nickte.
»Und was genau soll ich jetzt für Euch tun?«
»Die

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