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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verteidigen. Nicht, weil ihnen das Töten Spaß macht.«
»Worauf wollt Ihr hinaus?«, fragte Andrej. »Wenn es nicht Ulric
und seine Söhne sind, die Ihr im Verdacht habt, dann ist die Auswahl
nicht mehr besonders groß. Abu Dun und ich sind erst seit gestern
hier. Und Gräfin Berthold und ihr Begleiter…« Seine Stimme wurde
eine Spur schärfer. »Wollt Ihr sagen, dass Ihr glaubt, sie hätte irgendetwas damit zu tun?«
»Nein!«, antwortete der Wirt hastig, in einem Tonfall, der ihn deutlich Lügen strafte. »Natürlich glaubt niemand hier so etwas. Gräfin
Berthold ist ein Geschenk des Himmels, für das wir Gott auf ewig
dankbar sind. Es ist nicht einer unter uns, der ihr keinen Dank schuldig wäre. Das ist es nicht!«
»Es ist nur so, dass all diese schrecklichen Ereignisse angefangen
haben, seit sie hier bei Euch ist«, fügte Andrej hinzu.
Der Wirt starrte schuldbewusst zu Boden, und obwohl Andrej sein
Gesicht nicht sehen konnte, konnte er spüren, wie es hinter seiner
Stirn arbeitete.
»Ich kann Euch beruhigen«, fuhr er fort. »Ich habe gestern mit…«
Um ein Haar hätte er Maria gesagt, aber dieses Eingeständnis der
Vertrautheit zwischen ihnen hätte gewiss nicht dazu beigetragen, das
Misstrauen der Dorfbewohner zu zerstreuen. Er setzte neu an. »Ich
bin gestern zum Schloss geritten und habe mit der Gräfin und ihrem
Beschützer gesprochen. Und auch mit Niklas’ Tochter.«
Der Wirt hob mit einem Ruck den Kopf. »Elenja?«, entfuhr es ihm.
»Wie geht es ihr?«
»Wie es jemandem eben geht, dem man eine so schreckliche Nachricht überbracht hat«, antwortete Andrej. »Davon abgesehen jedoch
erfreut sie sich bester Gesundheit. Ich kann Euch versichern, dass
vom Schloss und seinen Bewohnern keine Gefahr ausgeht.«
»Aber was ist es dann?«, fragte der Mann hilflos.
Diese Frage konnte Andrej auch nicht mit letzter Gewissheit beantworten. »Das weiß ich nicht«, gab er wahrheitsgemäß zu. »Aber
wenn die anderen Euch geschickt haben…« Er schwieg einen Moment, wartete vergeblich auf eine Bestätigung seiner Vermutung oder
einen Einwand, und fuhr schließlich fort: »… dann richtet ihnen aus,
dass ich kommen werde. Allein.«
    Die Frage, die ihm das größte Kopfzerbrechen bereitet hatte, erledigte sich von selbst. Abu Dun war nicht mehr da, als er in die
Gaststube zurückkam. Der Teller, vor dem er gesessen hatte, war
leer, und dasselbe galt für den Bierkrug. Selbst Andrejs Becher war
leer, obwohl er nur einen einzigen Schluck daraus genommen hatte.
Andrej war nicht überrascht. Dennoch nahm er sich fest vor, der Sache auf den Grund zu gehen. Abu Dun gefiel sich manchmal darin,
den ungehobelten Barbaren zu spielen, aber in Wahrheit war er das
genaue Gegenteil.
    Obwohl er spürte, dass Abu Dun nicht mehr im Haus war, ging er
hinauf in ihr gemeinsames Zimmer, um auch dort nachzusehen. Abu
Dun war nicht dort, aber etwas… stimmte nicht. Andrej wusste nicht,
ob etwas fehlte oder vielleicht nicht an dem Platz war, wo es sein
sollte, aber das Gefühl war zu deutlich, um es zu ignorieren. Er blieb
stehen, drehte sich einmal im Kreis und sah sich den Raum noch
einmal gründlich an.
    Das Gästezimmer war kaum luxuriöser als der verdreckte Dachboden, auf dem sie in Ulrics Haus genächtigt hatten, aber nur spärlich
möbliert.
    Andrej trat an das niedrige Bett und sank davor auf die Knie. Das
Bettzeug war so zerschlissen, dass es diesen Namen kaum mehr verdiente, und wie alles andere auch hoffnungslos verdreckt. Andrej
roch feuchtes Stroh, den Schweiß und die Ausdünstungen derer, die
vor ihnen in diesem Bett gelegen hatten. Was er nicht roch, war Abu
Dun. Der Nubier war nicht in diesem Zimmer gewesen, und er hatte
ganz gewiss nicht in diesem Bett geschlafen. Andrej hätte selbst nach
Tagen noch gewittert, wenn der Nubier dort übernachtet hätte.
    Um ganz sicherzugehen, beugte er sich noch weiter vor, bis er mit
dem Gesicht fast das Betttuch berührte. Sein Eindruck blieb: Abu
Dun hatte die vergangene Nacht nicht in diesem Zimmer verbracht.
    Die Tür wurde geöffnet, und als Andrej herumfuhr, blickte er in das
Gesicht eines ziemlich überraschten Pater Lorenz.
»Andrej?«, murmelte er. »Was… was tut Ihr hier?« Er machte einen halben Schritt in den Raum hinein und blieb wieder stehen.
»Wollt Ihr Euch von der Sauberkeit der Bettwäsche überzeugen, oder
ist das eine heidnische Sitte, die Ihr von Eurem Freund übernommen
habt?« Er versuchte zu lachen, aber es wollte ihm

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