Die Blutgruft
Corner?«
»Klar.«
»Dann wäre es nett, wenn Sie uns den Weg zu ihr ebnen. Vielleicht durch einen Anruf.«
»Ja, das werde ich machen.« Seine Stimme hörte sich erleichtert an. Er war froh, dem Fall selbst entronnen zu sein.
Corner rollte wieder auf den Schreibtisch zu und holte ein Telefonbuch hervor. Er blätterte darin herum, war zufrieden, als er die Nummer gefunden hatte, und deutete dies auch durch ein Nicken an.
Dann griff er zum Hörer.
Sehr dienstlich klang seine Stimme, als er mit der Leiterin des Heimes sprach. Er erklärte einer Mrs. Graham das Problem und wartete gespannt auf deren Antwort.
Allmählich verschwand der gelöste Ausdruck aus seinem Gesicht. Einige Male setzte er zu Nachfragen an, aus denen wir leider nicht viel entnehmen konnten.
Dann kam er zur Sache. »Und Sie ist so krank, dass sie wirklich keinen Besuch empfangen kann?«
Die Antwort hörten wir nicht. Dafür nickte Jeff Corner und legte rasch auf. Sein Gesicht zeigte noch immer den etwas traurigen Ausdruck, als er uns eine Erklärung gab.
»Es tut mir in der Seele Leid, aber Elisa Bancroft ist krank geworden.«
»Was hat sie denn?«, fragte Abe.
»Sie ist ziemlich schwach. Erkältung, Virus, Grippe. Da kommt wohl einiges zusammen.«
»Darf sie keinen Besuch empfangen?«
Corner grinste dünn. »Das wurde nicht direkt gesagt. Ich weiß nur nicht, ob es viel bringen wird, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich kenne ja den Zustand der Frau nicht.«
»Wir werden trotzdem hinfahren«, entschied ich.
»Tja, das ist Ihre Sache.«
»Wie heißt die Chefin des Altersheims noch?«
»Mrs. Graham.«
»Die Sie sicherlich auch kennen – oder?«
»Klar, die kenne ich. Eine ziemlich resolute Person mit Haaren auf den Zähnen. Aber herzensgut, wenn es um ihre Schützlinge geht. Das jedenfalls ist ihr Ruf.«
»Wir werden sehen.« Ich wollte mich schon abwenden, als mir die Haltung des Deputys auffiel. Er saß plötzlich stocksteif an seinem Schreibtisch und starrte an uns vorbei ins Leere.
Abe Douglas kam mir mit seiner Frage zuvor. »Haben Sie ein Problem, Mr. Corner?«
»Nein, nicht ich.«
»Sondern?«
»Mir ist plötzlich etwas eingefallen«, flüsterte er und schüttelte sich. »Das ist wirklich ein Zufall.«
»Dann raus mit der Sprache.«
»Diese fünf verschwundenen jungen Frauen haben alle mal in dem Heim gearbeitet. Bei uns ist es üblich, dass man sich in jungen Jahren um ältere Menschen kümmert. Es ist kein Zwang. Die Arbeiten werden in der Freizeit durchgeführt. Ob das etwas zu sagen hat, weiß ich nicht. Jedenfalls haben sie das getan.«
Suko und ich schauten uns an. Auch Abe hatte einen starren Blick bekommen und hörte, wie ich meinen Kommentar abgab.
»Wir werden sehen...«
***
Der Ausblick war fantastisch!
Zugelassen wurde er durch eine große Scheibe, die sich leicht nach außen wölbte und den Aufenthaltsraum des Heimes zu einer Bühne machte, vor der das Meer und der Park wie auf dem Präsentierteller lagen.
Das Wasser wirkte wie ein endloser Pool, bedeckt mit den glitzernden Schaumkronen der Wellen und den farbigen Tupfern der Segel. Über dem Wasser lag ein schwacher Dunst, sodass die in der Ferne liegenden Inseln etwas verschwommen aussahen.
Wer vor der Panoramascheibe saß und nach draußen schaute, um dieses Bild in sich aufzusaugen, dessen Gedanken glitten sicherlich weg und beschäftigten sich mit der Freiheit. Mit der Luft, mit dem Wasser, wobei schließlich alles in Erinnerungen mündete, von denen die zumeist alten Menschen lebten.
Viele der Bewohner waren nicht mehr beweglich genug, um das Draußen zu erleben. Wenn sie mal an die frische Luft gerieten, dann blieben sie innerhalb des gepflegten Parks. Dort hatte die Natur ihr winterliches Kleid abgeschüttelt. Die ersten Blüten sprossen farbenprächtig. Magnolien streckten ihre Kelche so weit sie konnten. Kirschbäume spannten in ihren Kronen ein wahres Netz von Blüten und schickten dem Betrachter die Farben Weiß und Rosa.
Der Rasen war wieder grün geworden. Saubere Wege durchliefen die Fläche wie Adern. Die Bänke hatten ebenfalls ihren Frühlingsputz erhalten und warteten auf Menschen, die darauf ihre Plätze einnahmen und die Gesichter der wärmenden Strahlen der Sonne entgegenstreckten. Das Wunder ereignete sich jedes Jahr, und viele Bewohner waren wieder froh, den Frühling erleben zu dürfen.
Sie hatten, wenn eben möglich, das Haus verlassen. Sie saßen auf den Bänken, die Gesichter gegen die Sonne gedreht, aber sie
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