Die Blutgruft
hockten auch oftmals in ihren Rollstühlen, die von Helfern durch den Park geschoben wurden.
So bilderbuchhaft diese Umgebung auch wirkte, es hing trotzdem ein Hauch von Traurigkeit darüber, denn die Menschen hier hatten den Großteil ihres Lebens bereits hinter sich. Sie waren alt geworden und versuchten jetzt noch mal einen tiefen Atemzug zu nehmen, um die letzten Jahre zu genießen. Oft mit einem bitteren Lächeln der Erinnerung auf den Lippen.
So jedenfalls erlebte ich das Bild, denn ich hatte mich vor die Scheibe gestellt und schaute nach draußen. Wir warteten in diesem großen Raum auf Mrs. Graham, die uns den Weg zu Elisa Bancroft öffnen sollte.
Suko und Abe Douglas saßen in zwei Sesseln und genossen den Blick aus einer anderen Perspektive. Sicherlich machten auch sie sich ihre Gedanken, aber sie sprachen sie nicht aus und schauten mir entgegen, als ich mich umdrehte und über den hellgrünen Teppich auf sie zuschritt. Ich passierte dabei die unterschiedlichen Sessel, die runde oder viereckige Fische umstanden. Auf einigen lagen noch Karten, und auch ein Schachspiel war aufgestellt worden.
Abe Douglas runzelte die Stirn. »Unsere Madame lässt sich Zeit. Wer weiß, was sie sich da alles zusammenreimt.«
»Traust du ihr nicht?«
Der G-man winkte ab. »Ich bin von Natur aus misstrauisch. Oft genug hat man mich leimen wollen, aber ich lasse mich gern eines Besseren belehren.«
Suko gab keinen Kommentar ab. Er saß sehr entspannt in seinem Sessel und hielt die Augen halb geschlossen. Manchmal wünschte ich mir, seine Ruhe zu haben.
Dann erschien Mrs. Graham. Die Glastür des Eingangs schob sich automatisch auseinander, als sie kam. Wir hörten in der Stille das leise Geräusch, und ich drehte mich um.
Im Park trugen die Mitarbeiter des Heimes weiße Kittel und Hosen, aber die Chefin hatte ein normales Outfit gewählt. Ein hellgraues Kostüm, darunter eine schlichte weiße Bluse. Dunkle Schuhe mit klobigen Absätzen und der strenge Haarschnitt passten ebenfalls zu ihrer Kleidung. Sie hatte die Haare nach hinten gekämmt. Im Nacken bildeten sie einen Knoten. Vom Alter her war die Frau schwer zu schätzen. Sie konnte 50 sein, aber auch älter oder jünger. Die Gesichtshaut zeigte eine gesunde Farbe, ihr Blick war klar, wenn auch etwas skeptisch, denn dass drei Männer zusammen jemanden besuchen wollten, das kam wohl selten vor.
Da wir uns telefonisch angemeldet hatten, konnte sie nicht zu stark überrascht sein, und sie überspielte es auch durch ein Lächeln.
Suko und ich ließen Abe Douglas den Vortritt. Er war in diesem Land schließlich zu Hause. Er stellte uns vor und erklärte mit wenigen Worten, weshalb wir gekommen waren.
Mrs. Graham nahm alles zur Kenntnis, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie hörte zu, legte dann die Arme auf den Rücken und begann mit einer kleinen Wanderung durch den Aufenthaltsraum.
»Ja, ja, ich kenne die Probleme. Es sind fünf junge Frauen verschwunden. Zufällig haben diese Frauen hier bei uns gearbeitet, wobei ich noch mal das Wort zufällig betone.«
»Nichts anderes haben wir angenommen«, sagte Abe.
»Ich bin schon mal danach gefragt worden. Von einheimischen Polizeibeamten. Ich kann Ihnen auch jetzt nur das sagen, was ich Ihren Kollegen schon mitgeteilt habe. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden der Frauen und ihrem Job hier. Das mag für Sie zwar ärgerlich sein, aber so sind die Tatsachen.«
Ich kam auf das eigentliche Thema zu sprechen. »Wir sind auch nicht gekommen, um über die Frauen zu sprechen, Mrs. Graham, es geht uns um etwas anderes. Wir möchten mit einer Frau sprechen, die bei Ihnen zu Gast ist. Elena Bancroft...«
Sie unterbrach mich. »Das weiß ich. Sie haben es am Telefon durchblicken lassen. Aber es ist ein Problem. Ich weiß nicht, was Sie von Mrs. Bancroft wollen, doch ich muss mich wiederholen. Es geht ihr nicht gut. Sie wird nicht in der Lage sein, mit mehreren Personen zu sprechen. Sie ist krank. Sie braucht Ruhe und...«
»Pardon«, sagte ich schnell, »es geht uns nicht darum, dass wir zu dritt mit ihr sprechen. Wenn einer von uns zu ihr geht, wird das reichen, nehme ich an.«
»Hm.«
Ich hatte die Frau in eine leichte Klemme gebracht. Sie versuchte, ihr zu entweichen und sagte: »Mrs. Bancroft ist nicht mehr die Jüngste, das wissen Sie. In diesem Alter ist es beinahe schon normal, dass sie eine gewisse Demenz bekommt. Ich fürchte, dass die bei ihr eingetreten ist. Wenn Sie mit ihr reden, werden Sie wohl kaum
Weitere Kostenlose Bücher