Die blutige Arena
beiden Hörnern hing, oder das Tier, welches mit gesenktem Kopfe vergeblich die glänzende, bunte Puppe zu erfassen suchte, welche seinen Hörnern immer zu entwischen schien? Doch endlich löste sich die Gruppe. Die Muleta blieb auf dem Boden und der Torero sprang mit leeren Händen und taumelnd zurück, bis er nach einigen Schritten wieder das Gleichgewicht fand. Seine Kleidung war in Unordnung geraten, die Krawatte flatterte außerhalb der Weste, ein Horn hatte sie erfaßt und zerrissen. Der Stier lief mit unverminderter Schnelligkeit in der gleichen Richtung weiter. Der rote Griff des Degens, der bis zur Parierstange hineingestoßen worden war, hob sich kaum von seinem breiten Halse ab. Plötzlich verlangsamte sich der Lauf, das Tier zuckte wie unter einem schmerzvollen Schlag zusammen, knickte mit den Vorderbeinen ein, neigte das Haupt, bis es den Sand mit dem brüllenden Maul berührte, und fiel dann in seinen Todeszuckungen schwer auf die Seite.
Es hatte den Anschein, als ob der Zirkus einstürzte, die Ziegel aufeinanderprallten und die Zuschauer in wilder Panik flüchten wollten, als sie bleich, zitternd gestikulierend aufsprangen. Alle hatten während einer Sekunde den Torero auf den Hörnern des Stieres geglaubt, sie waren überzeugt, ihn blutend und entseelt in den Sand geschleudert zu sehen. Und als sie ihn nun lächelnd, wenn auch ein wenig benommen von dem Zusammenprall, in der Mitte der Arena erblickten, da vermehrte die Überraschung und das Erstaunen die allgemeine Begeisterung.
»Was für ein Kerl,« rief man auf den Tribünen, ohne den richtigen Ausdruck für das Maß der Bewunderung zu finden, »was für ein Teufelskerl«. Und die Hüte flogen in die Arena und ein neuerlicher gewaltiger Beifallssturm lief, ähnlich einem Hagel, von Tribüne zu Tribüne, überholte den Torero im Rundbogen des Zirkus, folgte dem Verlauf der Sitzreihen und pflanzte sich bis zur Präsidentenloge fort, zu der Gallardo leichten Schrittes ging. Die Ovation brach mit doppelter Heftigkeit los, als sich Gallardo vor dem Präsidenten verneigte. Alle schrien laut und verlangten, ihm die Ehre des Tages zuzuerkennen. Man sollte ihm das Ohr des erlegten Stieres geben, niemals sei diese Auszeichnung besser verdient worden. Solche Stöße, wie diesen, sah man selten. Und der Enthusiasmus wuchs zur Siedehitze, als ihm ein Diener des Zirkus ein dunkles, haariges und blutiges Dreieck überreichte: das abgeschnittene Ohr des Stieres.
Schon standen drei andere Tiere in der Bahn und noch dauerte die Ovation für Gallardo fort, als ob sich das Publikum noch immer nicht von seiner Erregung erholt hätte und alles andere, was noch während des Nachmittages gezeigt werden sollte, an Wert hinter die Tat Gallardos stellte.
Die anderen Toreros bemühten sich, ganz blaß vor Neid, die Aufmerksamkeit des Publikums auf ihre Person zu lenken. Auch sie ernteten Beifall, doch war er schwach und gedämpft nach den vorangegangenen Ovationen. Das Publikum achtete, noch zu erschüttert durch das Delirium der aufgebrachten Begeisterung, nur zerstreut auf die Bänder der Wurflanzen, welche in der Arena flatterten. Lebhafte Diskussionenentwickelten sich von Tribüne zu Tribüne, von Sitz zu Sitz. Die Anhänger der anderen Stierfechter hatten sich von ihrer Verblüffung, welche sie in die allgemeine Begeisterung mitgerissen hatte, erholt und besprachen nun die Tat Gallardos. Schön, er war mutig, unerschrocken, ein Draufgänger, der sein Leben nicht achtete. Aber all das war keine Kunst. Die enthusiasmierten Anhänger Gallardos ereiferten sich, wie es Leute tun, welche die Bilder ihrer Heiligen angezweifelt sehen.
Der Stierkampf ging weiter. Doch die Nerven der Zuschauer waren gereizt, was sich in einer oft ungerechten Abneigung gegen einige Stierfechter oder in einem mißvergnügten Schweigen äußerte. Noch ganz hergenommen von der großen Aufregung des vorigen Kampfes, verhielt sich das Publikum teilnahmslos und vertrieb sich seine Langeweile durch Essen und Trinken. Die Verkäufer brachten mit erstaunlicher Geschicklichkeit ihre Waren an. Die Orangen flogen wie rote Bälle bis in die höchsten Sitzreihen, als zöge sie ein unsichtbarer Faden aus der Hand des Verkäufers zu dem Kunden. Flaschen wurden entkorkt, das flüssige Gold andalusischer Weine funkelte in den Gläsern.
Eine Bewegung der Neugierde ging durch die Tribünen. Fuentes machte sich bereit, den Stier mit der Wurflanze anzugehen. Und alle erwarteten irgendeine Überraschung bei diesem
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