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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Familie nicht existierte.
    Die Zeit verging, Gallardo und seine Frau zeigten sich bei allen Festen mit dem Aufwand und der Anmut eines reichen und volkstümlichen Paares. Sie trug den Schleier, welcher anderen Frauen Ausrufe der Bewunderung entlockte,er zeigte seine Brillanten und war immer bereit, die Börse herauszuziehen, um den Bettlern, welche in Scharen herbeiliefen, Geld zu geben. Zigeunerinnen, braun und schwatzhaft wie alte Hexen, umlagerten Carmen mit allen möglichen glücklichen Prophezeihungen: Gott werde sie segnen und ihr ein süßes, herziges Kindchen schenken. Man sehe es ihr an den Augen an. Doch umsonst war das Erröten und die Freude Carmens, umsonst freute sich der Torero, der Sohn kam nicht. Ein zweites Jahr verging, ohne daß sich die Hoffnungen erfüllten. Frau Angustias wurde traurig, wenn man von dieser Enttäuschung sprach. Sie hatte andere Enkel, die Söhne der Encarnacion, welche auf Wunsch des Schwiegersohnes den Tag bei der Großmutter verbrachten. Doch sie, welche die Schatten der Vergangenheit und die Erinnerung an ihre »stürmische« Zärtlichkeit zu Juan vergessen lassen wollte, wünschte sich einen Sohn von ihm, da sie ihn nach ihrer Weise erziehen und ihm all die Liebe geben wollte, die sie dem Vater infolge seiner unglücklichen Jugend versagen mußte.
    Wenn während des Winters der Torero zu Hause war oder sich mit Jagden und dem Besuch der Stierzüchtereien die Zeit vertrieb, ging alles gut. Carmen war glücklich und zufrieden, da sie ihren Mann in Sicherheit wußte. Sie lachte über den geringfügigsten Anlaß, ihr Gesicht belebte sich mit den Farben der Gesundheit. Doch wenn der Frühling kam und Juans Fahrten durch alle Städte Spaniens begannen, schien die arme Frau, welche täglich bleicher und zarter wurde, in eine Art Trübsinn zu verfallen. Ihre Augen öffneten sich weit, wie unter dem Banne der Furcht und waren bereit,jeden Augenblick Tränen zu vergießen. »Zweiundsiebzig Stierkämpfe in dieser Saison!« sagten die Freunde des Hauses, wenn sie über die abgeschlossenen Verträge des Hausherrn sprachen. »Keiner ist so gesucht, wie er!« Und Carmen lächelte mit einer schmerzhaften Grimasse. Sie wußte, daß sie zweiundsiebzig angstvolle Nächte vor sich hatte, die sie wie ein Angeklagter in der Kapelle verbringen würde, fiebernd in der Erwartung eines Telegramms und gleichzeitig voller Angst, es zu öffnen. Zweiundsiebzig Tage des Schreckens und grauenvoller Ahnungen bei dem Gedanken, daß ein vergessenes Gebet das Schicksal des Abwesenden beeinflussen konnte. Zweiundsiebzig Tage schmerzlicher Abgeschlossenheit in einem stillen Hause, immer mit denselben Leuten, mit denselben Gewohnheiten, als ob in der Welt nichts Außergewöhnliches geschehen könnte. An diesen Tagen der Stierkämpfe, an denen der Himmel schöner zu sein schien und die einsamen Straßen von dem Geplauder der sonntäglichen Spaziergänger widerhallten, an denen die Gitarren summten und die Akkorde zu den Liedern der Gäste in der nahen Weinstube spielten, an diesen Tagen verließ Carmen in ärmlicher Kleidung, die Mantilla bis zu den Augen aufgeschlagen, ihr Haus, als ob sie bösen Träumen entfliehen und in der Kirche Schutz finden wollte. Ihr einfacher Glaube, den die Ungewißheit noch mit abergläubischen Vorstellungen durchsetzte, ließ sie von Altar zu Altar gehen und die Verdienste und die Wunder eines jeden Gnadenbildes abschätzen. Sie ging in die Egydiuskirche, welche ihren Freudentag gesehen hatte, sie betete vor dem Frauenbildnis, dem sie unzählige Kerzen anzündete, in deren Schein sie dann das braune Antlitz des Bildes mitden schwarzen Augen und den feinen Augenbrauen betrachtete. Auf sie setzte sie ihr größtes Vertrauen. Doch gleich darauf erschütterte Zweifel und Furcht ihren Glauben; die Jungfrau war ein Weib und Frauen richten so wenig aus! Ihr Geschick ist zu weinen oder zu klagen, wie sie es für ihren Mann tat, wie die andere es für ihren Sohn getan hatte. Sie mußte sich an stärkere Mächte wenden und anderen Schutz erflehen. Und ohne Gewissensbisse verließ sie mit dem Egoismus des Schmerzes das Gnadenbild, wie man eine wertlose Freundschaft aufgibt, und eilte in die St. Lorenzokirche zu unserem Herrn Jesus del Gran Poder (Jesus dem Allmächtigen), wo das Bild des dornengekrönten Gottmenschen mit dem Kreuz auf dem Rücken, das er schweißbedeckt und weinend trug, mehr das Gefühl des Schreckens als das der Verehrung erweckte. Die Verzweiflung des Nazareners, der über

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