Die blutige Arena
vorwärts.«
»Ich werde schon auf alles achten, wenn wir verheiratet sind. Du wirst sehen, wie schön alles gehen wird.«
So plauderten sie zusammen und warteten auf den Augenblick ihrer Hochzeit, von der man in ganz Sevilla sprach. Doch betrat der Torero niemals das Haus seiner Verlobten, als würde ihn ein Verbot daran hindern. Sie zogen es vor, sich dem Brauche gemäß am Fenster zu sehen.
Der Winter kam. Gallardo stieg zu Pferde und ritt mit einigen Herren, welche ihn mit gönnerhafter Miene duzten auf die Jagd. Er mußte sich die Beweglichkeit seines Körpers durch fortwährendes Training erhalten, er fürchtete nichts so sehr, als seine Kraft und seine Geschicklichkeit zu verlieren.
Der unermüdliche Herold seines Ruhmes war Don José, der ihm Vermittlerdienste leistete und ihn seinen Torero nannte. Er nahm an allem, was Gallardo betraf, Anteil und setzte für diese Aufgabe sogar die Ansprüche seiner Familie hintan. Er lebte von seinen Renten und tat nichts anderes als nur von Stieren und Stierfechtern zu reden. Für ihn waren die Stierkämpfe das einzige Interessante auf der Welt und er teilte die Völker in zwei Klassen ein: in Auserwählte, welche dieses edle Spiel pflegen, und in die traurige Menge derer, welche keine Sonne, keine Freude, keinen Wein kennen und sich für mächtig und glücklich schätzen, obgleich sie nicht einmal eine armselige Corrida mit jungen Stieren veranstalten können. Er vereinigte mit dieser Leidenschaft die Energie eines Fanatikers und den Glauben eines Inquisitors. Diesersonst so heitere Familienvater, der immer ruhig und gelassen war, konnte wild und unausstehlich werden, wenn während eines Stierkampfes die Nachbarn anderer Meinung waren. Er fühlte sich im Stande, mit dem ganzen Publikum Streit anzufangen, um einen befreundeten Torero zu verteidigen. Oder er störte die Beifallskundgebungen mit unangebrachten Protesten, wenn man einen Espada beklatschte, der sich nicht seiner Zuneigung erfreute.
Er hatte nur einen Wunsch, der Berater, der Führer und Vertreter eines dieser Großen zu werden. Doch als er daran ging, ihn zu verwirklichen, da waren alle Stierkämpfer bereits in festen Händen und so bedeutete für ihn der Aufstieg Gallardos die Erfüllung seiner Wünsche. Der geringste Zweifel an dessen Verdiensten versetzte ihn in Zorn und aus der Erörterung über sonst belanglose Fragen des Stierkampfes wurde eine persönliche Angelegenheit. Er betrachtete es als eine seiner Heldentaten, sich in einem Kaffeehaus mit zwei Ehrabschneidern geprügelt zu haben, da diese seinen Torero als einen Dandy bezeichnet hatten, den man nicht ernst nehmen könne.
Die Hochzeit Gallardos war eine Sensation. Mit ihr wurde das neue Haus eingeweiht, auf das der Schwager so stolz war. Er zeigte den Hof, die Säulen, die Fliesen, als ob er das alles mit seiner Hände Arbeit geschaffen hätte.
Sie heirateten in der St. Egydiuskirche vor dem Bilde der Lieben Frau, die man la Macarena nannte. Als sie die Kirche verließen, da glänzten unzählige Blumen in der Sonne und die bunten Figuren auf den Schleiern, welche die Freundinnen der jungen Frau trugen, schimmerten in allenFarben. An der Türe des Hauses verteilte man während des Tages Geschenke und Almosen, die Armen kamen aus den entlegendsten Ortschaften, da sie sogar dort von der glänzenden Hochzeit gehört hatten.
Zu Hause gab es ein großes Festessen. Einige Photographen machten Momentaufnahmen, die für die Zeitungen in Madrid bestimmt waren. Die Hochzeit Gallardos war sozusagen ein nationales Ereignis. Bis spät in die Nacht erklangen die Gitarren mit ihrem melancholischen Gesumm, begleitet von Beifallsklatschen und dem Klopfen der Stöcke, welche den Takt mitschlugen. Die Mädchen stampften, während sie einen Arm hoch hoben, mit den zierlichen Füßen den Tanzschritt auf dem Boden, Rock und Schleier schmiegte sich um den beweglichen Körper, der sich im Takt der Sevillana bewegte. Zu Dutzenden leerte man die Flaschen schweren andalusischen Weines, Liköre und Branntweine machten die Runde, alle waren berauscht, doch war ihre Trunkenheit süß, ruhig und traurig, ohne sich anders als durch Seufzen und Singen zu betätigen.
Um Mitternacht gingen die letzten Gäste weg und die Neuvermählten blieben mit Frau Angustias zurück. Der Schwager machte beim Abschied eine Bewegung der Verzweiflung. Er war betrunken und wütend, weil sich während des ganzen Tages niemand um ihn gekümmert hatte, als wenn er ein Niemand wäre und seine
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