Die blutige Arena
Weg.
Eine Bewegung der Begeisterung und der Rührung huschte über das Gesicht des Marquis, wenn er die Taten seiner Stiere, die er aufgezogen hatte, erzählte.
Dann zeigte er eine große Photographie, die ihn, noch bedeutend jünger, inmitten einer Schar von kleinen, weißgekleideten Mädchen darstellte. Alle saßen auf einem schwarzen Ungetüm, das zwei lange Hörner erkennen ließ. Diese gewaltige Bank war ein Stier seiner Zucht, namens »Coronel«. Wild und störrisch gegen seine Gefährten, zeigte er eine zärtliche Unterwürfigkeit für den Marquis und seine Familie. Er zeigte die Abneigung der Hofhunde gegen Fremde, während die Hauskinder sie an dem Schwanz und an den Ohren ziehen und ungestraft alle Tollheiten mit ihnen ausführen können. Der Marquis führte seine Töchter, die sich furchtsam an ihren Vater anhielten, zu dem Tier und dieses beschnüffelte die weißen Kleidchen der Kleinen, die plötzlich mit dem Wagemut der Jugend seine Schnauze streichelten und ihm zuriefen: »Leg dich, Coronel!« Das Tier ließ sich sofort auf seine Vorderfüße nieder und die Familie setzte sich auf seine Flanke, welche unter dem »Ru-Ru« seiner tiefen Atmung wie ein Blasebalg auf- und niederging.Nach langem Schwanken verkaufte ihn der Marquis eines Tages an den Zirkus in Pampelona und schaute dem Kampfe zu. Sein ganzes Leben hatte er keinen solchen Stier gesehen. Er sprang munter in die Arena und blieb in deren Mitte, geblendet nach dem langen Aufenthalte in dem finsteren Stalle und verdutzt über das Gesumme der vielen tausend Zuschauer, wie erstarrt stehen. Doch als ihm ein Picador die Lanze in den Rücken geschleudert hatte, schien er den ganzen Platz mit seiner Wildheit zu beherrschen.
Für ihn gab es weder Menschen noch Tiere oder sonst ein Hindernis. In einem Augenblick warf er alle Pferde nieder und schleuderte die Picadores in die Luft. Die Stallknechte liefen davon, das Publikum verlangte nach neuen Pferden und Coronel, inmitten seiner Opfer stehend, wartete, daß sich jemand nähere, um ihn in die Luft zu werfen. »So etwas an Stolz und Kraft wird man niemals mehr sehen. Man brauchte ihm nur zuzurufen und er eilte mit solch edler Haltung und Bereitwilligkeit herzu, dass das Publikum ganz außer Rand und Band geriet. Als er endlich den Todesstoß erhalten sollte, war er trotz der Lanzenstiche noch so frisch und so stark, als wäre er gerade von der Weide gekommen. Damals ...«
Wenn der alte Herr zu diesem Punkte gelangte, hielt er immer inne, um seine Stimme, die zitterte, zu kräftigen. . Damals sah sich der Marquis de Moraima, ohne zu wissen wie, plötzlich hinter der Barriere, zwischen den Stallburschen, welche in den Wechselfällen des aufregenden Kampfes ganz kopflos hin- und herliefen. Vor sich erblickte er den Torero, der langsam und ruhig seine Muleta vorbereitete, als wollteer den Augenblick hinausschieben, wo er sich mit einem so gewaltigen Gegner messen mußte.
»Coronel!« rief der Marquis und lehnte sich mit dem Oberkörper über die Barriere.
Das Tier regte sich nicht, hob aber den Kopf, als ob es sich bei diesem Ruf an ein fernes Land erinnerte, das er nicht mehr sehen sollte. »Coronel!« Da wandte er den Kopf und sah einen Mann, der ihm von der Barriere aus zurief, und nun lief er gerade auf ihn zu. Doch mitten im Laufen wurde sein Schritt langsamer und er näherte sich behutsam den Sitzen, bis seine Hörner die ihm entgegengestreckte Hand berührten. Er kam mit einer blutüberströmten Brust und seinen Wunden, welche die Muskeln bloßgelegt hatten. »Coronel, mein braver Kerl.« Und der Stier hob, als ob er diese liebkosenden Worte verstanden hätte, sein Maul und benetzte mit seinem Speichel die Hand des Marquis. »Warum hast du mich hieher gebracht?« schienen seine blutunterlaufenen Augen zu fragen. Und ohne zu wissen, was er tat, küßte der Alte die feuchten Nüstern des Tieres.
»Laßt ihn leben!« rief irgendeine mitleidige Seele von den Tribünen herab, und als ob diese Worte die Gefühle aller Zuschauer wiedergaben, fielen tausende von Stimmen in diesen Ruf ein, während sich gleichzeitig unzählige Taschentücher wie weiße Tauben in der Luft bewegten. »Laßt ihn leben!« In diesem Augenblicke verzichtete die Menge auf ihr Vergnügen, ja sie verabscheute sogar den wertlosen Wagemut des Torero und dessen prahlerische Geberden. Alle bewunderten die Kraft des Tieres und fühlten sich ihm unterlegen, da sie erkannten, daß unter so viel tausend denkendenWesen gerade von diesem
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