Die blutige Arena
armen Tiere das Gefühl edlerer Regung und Empfindsamkeit betätigt worden war.
»Er kam zu mir,« sagte der Marquis, »ich gab dem Impresario seine 2000 Pesetas zurück. Ich hätte ihm mein ganzes Gut gegeben. Coronel sollte ein friedliches Alter haben. Doch was tüchtig ist, hält sich nicht lange in dieser Welt. Ein Stier tötete ihn heimtückischerweise mit einem Hornstoß.«
Der Marquis und seine Gefährten wandten nach dieser rührenden Episode ihr Gespräch wieder anderen Fragen zu. Man mußte sie hören, mit welcher Verachtung sie über die Feinde der Stierkämpfe sprachen ... Sie ereiferten sich über die dummen Ansichten der Fremden und Ignoranten, welche die Tiere nur nach den Hörnern unterschieden und einen schlechten Ochsen genau so hoch einschätzten wie ein Tier, das für die Arena bestimmt war. Der spanische Stier ist der stärkste in der Welt. Und sie erzählten sich zahlreiche Kämpfe zwischen Stieren und Jaguaren, welche bei diesen Anlässen immer der Kraft ihres Gegners unterliegen mußten.
Der Marquis lächelte, wenn er sich an andere Stücke seiner Tiere erinnerte. Man veranstaltete in einer Stadt den Kampf eines Stieres gegen einen Löwen und einen Tiger. Er entsandte zu diesem Schauspiel einen tückischen Stier namens Barrabas, den er abgesondert hielt, da er alle seine Gefährten mit Hornstößen verwundet und viele Rinder getötet hatte.
»Ich sehe alles noch deutlich vor mir,« sagte der Marquis, »in der Mitte des Zirkus stand ein großer, eiserner Käfig, in welchem Barrabas gefangen gehalten wurde. Man ließ zunächst den Löwen los und das verdammte Tier springt, die Unerfahrenheit des Stieres benützend, auf seinen Rücken undbearbeitet ihn mit den Zähnen und Krallen. Barrabas tollte wie wütend herum, um ihn abzuschütteln und ihn vor die Hörner zu bekommen. Endlich gelang es ihm, den Löwen von vorne zu erwischen und, guter Gott, ein Wollknäuel war nichts dagegen. Er schleuderte ihn wie eine Strohpuppe von einem Horn aufs andere, bis er ihn endlich verächtlich in eine Ecke warf, wo der »sogenannte« König der Tiere wie eine geprügelte Katze liegen blieb. Und dann kam der Tiger und nun war die Sache noch kürzer. Kaum war er in der Arena, ging ihn Barrabas auch schon an und nahm ihn auf die Hörner. Und gleich darauf lag er in der Ecke, wo er sich wie der andere zusammenkrümmte und sich ganz klein machte.«
Unter den Mitgliedern der »Fünfundvierzig« fanden diese Erzählungen vielen Beifall. Ja, der spanische Stier, man konnte stolz sein auf ihn. In diesen freudigen Beifall mischte sich auch ein Ausdruck nationalen Stolzes, als ob die Kraft der heimischen Stiere zugleich auch die Überlegenheit der Erde und des Volkes über die andere Welt bedeutete.
Als Gallardo begann, den Klub zu besuchen, da verdrängte bald ein neues Thema die endlosen Diskussionen über Stiere und Feldarbeiten.
Im Klub der »Fünfundvierzig« sprach man, so wie in ganz Sevilla, von einem wegen seiner Grausamkeit berüchtigten Banditen, Plumitas genannt, dessen Ruhm in demselben Verhältnis wuchs, je nutzloser alle Anstrengungen waren, ihn zu fangen. Die Zeitungen erzählten seine Streiche, als wäre er ein Nationalheld. Die Regierung wurde mit Anfragen bestürmt und versprach, ihn unschädlich zu machen, ohne aberihr Versprechen einlösen zu können. Man veranstaltete Streifungen und machte die Polizei mobil, während Plumitas, nur auf sein Gewehr und sein Pferd angewiesen, wie ein Phantom allen Nachstellungen entkam, seinen Verfolgern, wenn sie nicht zu zahlreich waren, kühn entgegentrat und von den Landleuten, welche in dem Banditen den Rächer ihrer Entbehrungen und dazu einen schnellen, ja grausamen Richter sahen, bereitwilligst unterstützt wurde. Er verlangte von den Reichen Geld und half mit der Gebärde eines Königs, der sich von einer zahllosen Zuschauermenge beobachtet sieht, hier einer armen Frau, dort einem Arbeiter, der für seine zahlreiche Familie kaum das Auskommen finden konnte. Diese edlen Handlungen wurden durch die Kommentare der Landbevölkerung, welche den Namen Plumitas jederzeit im Munde führte, vergrößert, doch wurden alle stumm, wenn die Soldaten nach ihm fragten.
Mit der Schnelligkeit eines Mannes, der das Land genau kennt, eilte er von einer Provinz in die andere und die Reichen von Sevilla mußten ebenso wie die von Cordoba ihren Tribut entrichten. Wochen vergingen, ohne daß man von dem Räuber sprach, und plötzlich zeigte er sich in einem Hofe oder kam
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