Die blutige Arena
beim ersten Besuche. Und konnte sie ihm entgegen kommen? ... Doch als sie dem Torero die Hand reichte, blickte sie in seine Augen, die sie mit leidenschaftlicher Starrheit betrachteten und in ihrer stummen Beharrlichkeit alle ihre furchtsamen Hoffnungen, ihre stillen Wünsche zum Ausdruck brachten.
»Nein, geh' nicht fort. Komm ...«
Und sie sagte nicht mehr ...
IV
Zu den verschiedenen Motiven, welche Gallardo veranlassten, so stolz auf sich zu sein, gesellte sich noch die Genugtuung befriedigter Eitelkeit. Wenn er mit dem Marquis de Moraima sprach, geschah es fast mit kindlicher Zuneigung. Dieser Mann, der wie ein Bauer oder Viehhüter daherkam, war eine hohe Persönlichkeit, welche mit ordensbedeckter, Goldgestickter Uniform im königlichen Palast einherstolzieren konnte. Seine Urahnen waren mit dem Fürsten, der die Mauren vertrieben hatte, nach Sevilla gekommen und als Lohn für ihre Dienste wurden ihnen unermeßliche Gebiete überlassen, deren Reste eben in jenen weiten Grassteppen bestanden, auf denen nun die Stiere des Marquis weideten. Seine nächsten Vorfahren waren Freunde und Ratgeber der Monarchen geworden und hatten bei Hofe einen großen Teil ihres Vermögens verschwendet. Und dieser große Señor, der trotz der Ungebundenheit seines Landlebens den Adel seiner Herkunft bewahrte, war für Gallardo sozusagen ein naher Verwandter.
Der Sohn des Schusters empfand bei diesem Gedanken den gleichen Stolz, als wäre er tatsächlich in die alte Adelsfamilie eingetreten. Der Marquis de Moraima war sein Onkel, und obgleich er ihn öffentlich nicht so anreden durfte und die Schwägerschaft nicht beglaubigt war, tröstete er sich beidem Gedanken an die Herrschaft, welche er über eine Frau der Familie ausübte, und dies vermöge einer Liebelei, welche sich über Formen und Vorurteile hinwegzusetzen pflegte. Ferner gehörten alle jene Herren, welche ihn früher mit jener herablassenden Vertraulichkeit, mit der die hoch stehenden Gönner die Toreros behandelten, aufgenommen hatten, zu dieser Verwandtschaft und er gewöhnte sich daran, sie als seinesgleichen zu betrachten und ihnen mit gleicher Vertraulichkeit wie Doña Sol entgegenzukommen.
Seine Lebensart und seine Gewohnheiten hatten sich gründlich verändert. Er kam nur selten in die Kaffeehäuser der Sierpesstraße, wo sich die Freunde der Stierkämpfer vereinigten. Es waren brave, biedere Leute voll Begeisterung, jedoch von geringer Bedeutung für das große Leben: kleine Kaufleute, Handwerker, welche sich selbständig gemacht hatten, Geschäftsleute, ohne festen Verdienst und nur für die Stiergefechte Interesse zeigend. Gallardo ging an den Spiegelscheiben der Kaffeehäuser vorbei und grüßte seine Bewunderer, welche ihn mit hastigen Handbewegungen aufforderten, einzutreten. Doch er schritt weiter, um einen aristokratischen Klub in derselben Straße aufzusuchen, wo gallonierte Diener in einem goethischen Saale auf schwerem Silbergeschirr die Gäste bedienten.
Der Sohn der Frau Angustia empfand jedes Mal die Freude befriedigter Eitelkeit, wenn er die Reihen der Bedienten, die in ihrer schwarzen Livree ernst und feierlich dastanden, durchschritt. Es gefiel ihm, mit so viel vornehmen Leuten zusammenzukommen. Die jungen Klubmitglieder sprachen von Pferden oder Frauen und erstatteten sich gegenseitigBericht über alle Ehrenhändel in Spanien. Ein Salon diente als Fechtboden, in einem anderen Saale spielte man vom frühen Morgen bis spät in die Nacht. Man duldete Gallardo als eine Besonderheit des Klubs, denn er war ein »anständiger« Torero, er kleidete sich elegant, gab Geld aus und unterhielt gute Beziehungen.
Die sympathische und wohlbekannte Persönlichkeit seines Vertreters Don José diente dem Torero in seinem neuen Leben als Bürge und Empfehlung. Von nun an wusste es Gallardo mit der Schlauheit eines ehemaligen Gassenjungen so einzurichten, dass diese jeunesse dorée, unter welcher er noch einige Dutzend »Verwandte« traf, zu ihm kam.
Er zahlte viel, denn das war das beste Mittel, mit seiner neuen Verwandtschaft in Beziehungen zu bleiben und seine Verbindungen zu erweitern. Er spielte und verlor mit dem Pech eines Mannes, der in anderen Unternehmungen Glück hat, verbrachte Nächte im »Verbrecherkeller«, wie man den Spielsaal nannte, doch gewann er nur selten. Sein andauerndes Unglück im Spiel war für den Klub ein Anlaß, sich mit seinem neuen Schüler zu brüsten.
»Heute Nacht hat man Gallardo wieder ganz gehörig gerupft«, pflegten
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