Die blutige Arena
Reiter mit ihren gewaltigen Hörnern vor der nachfolgenden Herde schützten. Nach ihnen kamen die zum Verladen bestimmten Tiere, rechts und links von zahmen Kameraden eskortiert, um einen Ausbruch nach der Seite hin zu verhindern, was die Hirten mit ihren Schleudern, aus denen sie jedes Tier, welches ausbrechen wollte, sicher und schnell trafen, ebenfalls unmöglich machten.
Vor dem Gehege schwenkten die vorderen Reiter ab und die ganze Herde stürzte sich als eine Lawine von Staub mit Getöse und Gebrüll, unter dem Getöne der Viehschellen, in das Gehege, dessen Türe sich sogleich hinter dem letzten Tiere schloß. Von den Mauern herunter schrien die Leute auf die Herde ein oder schwenkten die Hüte, sodaß die Schar der erregten Stiere nur noch wilder wurde. Siedurchliefen den ersten Hof, ohne sich ihrer Gefangenschaft bewußt zu werden. Die Leitstiere, welche durch Erfahrung und Dressur abgerichtet waren, hielten sich, nachdem sie die Türe passiert hatten, zur Seite und ließen den ganzen Wirbelsturm vorüberlaufen. Im zweiten Hof kam die Herde vor der starken Mauer und der geschlossenen Türe zum Stillstand.
Dann begann das Verladen. Die Stiere wurden, einer nach dem anderen, durch Schwenken mit Tüchern, durch Geschrei und Schläge bis zu einem Gang getrieben, in dessen Mitte der Wagen mit seinen beiden offenen Türen stand. Es war sozusagen ein kleiner Tunnel, durch den hindurch man die anderen Höfe mit ihrem grünen Rasen und den ruhig weidenden Leitstieren sah. All das war ein Bild einer Weide, welche das furchtsame Wild anlocken sollte. Dieses bewegte sich langsam in der Enge weiter, als witterte es die Gefahr, und setzte nur zögernd den Fuß auf die Rampe, welche den Höhenunterschied zwischen dem Wagen und dem Hof überbrückte. Der Stier ahnte irgend eine Gefahr in diesem engen Tunnel, der sich ihm als aufsteigende Straße zeigte. Auf seinem Rücken spürte er die Stiche, welche ihn vorwärts trieben, ober sich sah er die Leute, welche ihn mit Händeklatschen und Pfeifen anfeuerten. Vom Wagendach, wo sich die Zimmerleute versteckt hielten, um die Tür herabfallen zu lassen, hing ein rotes Tuch herunter und flatterte im Sonnenlicht, das der Türausschnitt des Wagens hereinfallen ließ. Die Stiche, welche ihn vorwärts trieben, das Geschrei, die unförmige Masse des Wagens, welche sich vor seinen Augen erhob und der Anblick seiner ruhigweidenden Gefährten jenseits der Tür ließen den Stier endlich zu einer Entscheidung kommen. Er wagte einen Anlauf, um den kleinen Tunnel zu durchqueren, doch kaum betrat er die Rampe, fiel die vordere Tür herab, und ehe er sich wenden konnte, hatte sich auch die rückwärtige geschlossen.
Das Geklirr der Schlösser ertönte und das Tier fand sich plötzlich in Finsternis und Schweigen gefangen, eingesperrt in einem engen Raum, der ihm nur die Bewegung nach oben auf seine Füße erlaubte. Durch eine Falltüre im Dach fiel ihm sein Futter herab, man setzte den Käfig auf seinen kleinen Rädern in Bewegung und schob ihn an das Geleise, und nun wiederholte sich das Spiel, bis alle Stiere bereit waren, die Reise zu ihren Kampfplätzen anzutreten.
Bei ihrem Bestreben, überall das Lokalkolorit aufzusuchen, betrachtete Doña Sol diese Vorgänge mit regstem Interesse und versuchte, es den Treibern und Hirten gleichzutun. Dieses Herumjagen im Freien gefiel ihr, wenn sie so über die weiten Flächen gallopierte und hinter sich die spitzigen Hörner der Stiere wußte, welche ihr mit einer kleinen Bewegung ihres Hauptes den Tod geben konnten. In ihrer Seele glühte die Leidenschaft für das freie, ungebundene Leben, eine Sehnsucht, welche wir alle als Erbteil aus der Zeit unserer Ahnen herübernahmen, als die Menschen noch nicht die Bodenschätze heben konnten und von dem Ertrag ihrer Viehherden leben mußten. Hirte zu sein, jedoch ein Hirt freier und wilder Tiere, galt in den Augen der Dona Sol für eine der interessantesten und heldenhaftesten Betätigungen menschlicher Kraft. Gallardo, der aus seinem Glücksrausch erwacht war, betrachtete seine Geliebte in denStunden der größten Vertraulichkeit oft voll Staunen und fragte sich, ob die Frauen der großen Welt wohl alle ihr glichen.
Ihre Launen, ihre Charakterzüge setzten ihn in Verwirrung. Er traute sich nicht, sie zu duzen. Sie hatte ihn niemals zu solcher Vertraulichkeit ermutigt, und als er es einmal versuchen wollte, wurde ihm die Zunge schwer und seine Stimme begann zu zittern, da er in ihren Augen einen so
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