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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Frömmigkeit in diesem Bußgange, der sich erst beim Sonnenaufgang auflöste, einherschritten.
    Es war eine Brüderschaft des Schweigens. Die Teilnehmer durften nicht sprechen und gingen im Zuge derStadtwache, welche sie vor Belästigungen der Neugierigen schützen sollte, denn es gab Betrunkene mehr als genug. Unermüdlich schritt die Prozession durch die Straßen, in welchen sie als fromme Christen die Passion des Herrn nachahmten. Ihre Wanderung hörte erst am Karsamstag auf, nachdem sie in so und so viel Straßen vor den Stationen des Leidensweges ihre Andacht verrichtet hatten.
    Wenn die Brüder, welchen das Gebot des Schweigens jede Äußerung untersagte, allein in der Prozession einherschritten, da drängten sich jene Freigeister, welche der Wein jede Achtung vergessen ließ, an sie heran, um ihnen die schwersten Beleidigungen gegen ihre Person und ihre Familie ins Ohr zu murmeln. Die Brüder duldeten dies schweigend und betrachteten diese Schmähungen als ein dem Herrn gebrachtes Opfer. Doch der andere, den diese Haltung ermutigte, verdoppelte seine Lästerungen, bis endlich der Beleidigte in der Erwägung, daß ihm wohl das Wort, aber nicht die Handlung verboten war, ohne ein Wort zu sagen, die schwere Kerze hob und ihm mit deren Ende ein paar tüchtige Schläge gab, sodaß die für die heilige Zeremonie nötige Sammlung jäh unterbrochen wurde. Wenn im Verlauf der Prozession die Träger des Gnadenbildes rasteten und das schwere mit Lichtern besteckte Bild ruhig auf seinem Sockel stand, genügte ein leichter Pfiff, um die Kapuzenträger zum Halten zu veranlassen. Dann standen sich die Paare gegenüber, stützten die Wachskerzen auf einen Fuß und blickten durch den Augenschlitz auf die Menge. Man konnte sie für Personen aus einem Autodafé halten, für Fratzen, deren schwarze Schleppen beim Dahingleiten denGeruch von Weihrauch und den Gestank des Scheiterhaufens entströmen ließen. Die Stöße der Trompeten durchdrangen die Nacht, über den Spitzen der Kapuzen schwankte das Banner der Brüderschaft und zeigte in golddurchsticktem, mit Fransen umränderten Tuche die vier Buchstaben: »S. P. Q. R.« um den Anteil des römischen Statthalters am Tode Christi zu versinnbildlichen.
    Das Bild des allmächtigen Jesus (Señor del Gran Poder) stand auf einer schweren Unterlage aus getriebenem Metall, worüber ein Tuch gebreitet war, dessen Quasten bis zur Erde herabhingen und so die Füße der zwanzig schweißbedeckten, halbnackten Männer verdeckten, welche das Ganze trugen. An den Ecken glänzten goldene Engel, welche Kerzen hielten, und in der Mitte stand Jesus, ein schmerzbeladener, blutender, dornengekrönter Büßer, den die Last des Kreuzes zu Boden drückte und dessen Tränen über das bleiche, verzehrte Gesicht zur Erde flössen. Schwerer, mit Goldblumen durchwirkter Samt bedeckte seine Gestalt und verlor sich im dichten Faltenwurf der Umhüllung.
    Die Statue stand auf dem großen Platze inmitten des Kreises, den die Brüderschaft gebildet hatte, und die fromme Gläubigkeit des andalusischen Volkes äußerte sich in Gesang und in langen Klagen. Die Männerstimmen fielen mit ihren schweren und rauhen Klang in den Chor der Frauen ein, alle sangen und blickten dabei das Gnadenbild an, als würden sie ganz allein vor der Statue stehen und auf alle Betenden, welche ringsum waren, vergessen. Taub gegen die anderen Stimmen, ohne den Faden zu verlieren oder sich in den schwierigen Läufen des Weihegesanges gegenseitigunsicher zu machen, beendigte jeder seinen Part. Die vermummten Männer hörten unbeweglich zu und blickten inzwischen auf Christus, der die drei Strophen des Liedes über sich ergehen ließ und unter dem peinigenden Druck des Kreuzes und dem Schmerz der Dornenkrone seine Tränen vergoß. Endlich läutete der Führer des Zuges ein Silberglöckchen, um das Ende des Gesanges anzuzeigen, die Statue wuchs in die Höhe und die Füße der Träger begannen wie Fühlhörner sich am Boden in Bewegung zu setzen.
    Nach dem Bilde Christi kam die schmerzensreiche Jungfrau, Nuestra Señora del Mayor Dolor. Unter einem Thronhimmel aus Samt schwankte die Krone der schmerzensreichen Gottesmutter, deren Antlitz von Kerzen umstrahlt war. Die Schleppe des Mantels fiel in einer Länge von mehreren Metern über das Gerüst herab und schimmerte im Glänze ihrer schweren, leuchtenden Fransen, in welchen sich die Geschicklichkeit und Geduld einer ganzen Generation erschöpft hatte.
    Die in ihre Kapuzen vermummten Männer

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