Die blutige Arena
sparsame Einschränkungen durchzuführen. Seine Reisen während des Jahres und der Unglücksfall, der das ganze Haus in Unordnung und Verwirrung gestürzt hatte, waren der Anlaß zu diesem Rückgang gewesen.
Sein Schwager Antonio, der eine Zeitlang mit der Mieneeines Diktators auf dem Hofe herumgegangen war, hatte nur den Gang der Arbeiten verzögert und den Unwillen der Arbeiter erregt. Zum Glück konnte Gallardo mit dem Einkommen aus seinen Veranstaltungen diese Lücke verstopfen.
Ehe die alte Angustias La Rinconada verließ, bat sie ihren Sohn, am Tage der großen Prozession vor dem Bildnisse der Jungfrau Maria niederzuknien. Es war ein Gelübde, das sie an jenem Abend gemacht hatte, als sie ihn bleich und bewegungslos wie einen Toten auf der Tragbahre erblickt hatte. Wie oft war sie weinend zu dem Bilde der Himmelskönigin gekommen, sie möge ihren Juan nicht vergessen.
Das Marienfest wurde ein Ereignis für das Volk. Die Gärtner des Stadtviertels waren von der Mutter des Toreros herangezogen worden, die Kirche mit Blumen auszuschmücken. Der Altar verschwand fast unter der duftenden Last, die Wölbung wurde von Girlanden umspannt und dichte Sträuße hingen an den Lampen herab. Es war ein sonniger Morgen, als Gallardo den Kirchgang antrat. Obwohl es ein Arbeitstag war, füllte sich die Kirche mit den Bewohnern des Bezirkes ; die Bettler hatten sich, als. würde eine Hochzeit gefeiert werden, in doppelten Reihen vor der Türe aufgestellt. Die Mütter erwarteten mit ihren Kleinen auf den Armen ungeduldig die Ankunft Gallardos und seiner Familie. Man zelebrierte ein Hochamt mit Orchester- und Gesangsbegleitung. Hierauf stimmte der Priester das Tedeum an, um Gott für die Rettung Juan Gallardos zu danken, geradeso, als wenn der König nach Sevilla gekommen wäre.
Der Zug trat in die Kirche ein und bahnte sich langsam den Weg durch die Menge. Die Mutter und die Frau desTorero gingen voran und die schwere Seide ihrer Röcke knisterte bei jedem Schritte, während sie selbst voll Befangenheit unter ihrem Schleier lächelten. Hinter ihnen kam Gallardo, umgeben von einer großen Schar von Freunden und Toreros, welche alle in helle Farben gekleidet waren. Gallardo war ernst, denn er war ein guter Christ. Er dachte zwar wenig an Gott und fluchte mehr aus Gewohnheit als aus bösem Herzen, doch jetzt war es anders, er wollte der Mutter Gottes danken und so trat er mit der demütigen Miene des Schuldners vor ihr Bild.
Alle hatten sich in die Kirche begeben, nur der Nacional nicht. Er war mit seiner Frau und dem Kinde bis vor die Tür gegangen und wartete nun draußen.
»Ich bin ein Freigeist,« glaubte er einer Gruppe von Freunden versichern zu müssen, »ich achte einen jeden Glauben, doch was die da drinnen tun, ist für mich wertlos.«
Die Klänge der Instrumente und des Gesanges drangen durch die offene Tür, eine sanfte, einschmeichelnde Melodie ertönte, während Blumen und Weihrauch schwer dufteten.
Als der Zug die Kirche verließ, stürzten die Armen nach vorwärts und balgten sich um die Geldstücke, welche man ihnen aus vollen Händen zuwarf. Es gab für alle etwas aufzulesen, Gallardo war nicht knauserig.
Der Torero erschien in der Kirchentür und führte stolz und lächelnd seine Frau am Arm. Carmen zitterte vor Rührung und zerdrückte eine Träne in ihren Augen. Sie hatte die Empfindung, als würde sie nochmals Hochzeit feiern.
VII
Als die Karwoche kam, bereitete Gallardo seiner Mutter eine große Freude.
In früheren Jahren war der Torero in der Prozession der Pfarre San Lorenzo im Festzuge des Gnadenbildes Jesus del Gran Poder mitgegangen. Es war die Brüderschaft der Reichen und unser Torero, der damals in die Höhe kam, trat hier ein. Er sprach mit Stolz von dem Eifer dieser religiösen Vereinigung. Alles ging hier wie am Schnürchen. Wenn in der Nacht des Gründonnerstages die Uhr der San Lorenzokirche den letzten Schlag der zweiten Morgenstunde tat, öffnete sich die Tür und vor den Augen der draußen harrenden Menge erschien das Innere der hell beleuchteten Kirche, in deren Mitte sich die Brüderschaft versammelt hatte. Alle trugen schwarze Kappen und gingen, zu zwei gepaart, langsamen Schrittes vorwärts, während sie in der einen Hand die Kerze trugen und mit der anderen ihren langen Talar aufrafften. Die Menge betrachtete mit der allen südlichen Völkern eigenen Erregbarkeit den Zug der vermummten Männer, welche, obwohl sie große Herren waren, dennoch aus tief eingewurzelter
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