Die Blutige Sonne - 14
Mädchen mit dem Koboldgesicht, das ihn als com’ii begrüßt hatte; das hieß, daß er einem bestimmten Familienverband zugerechnet wurde oder einem ebenso hochgestellten anderen. Dann würde also Com’yn ungefähr den Sinn haben, daß er mit ihnen auf gleicher sozialer Ebene stand, vielleicht sogar zu den Aristokraten zu rechnen war.
Ein Summer an der Wand riß ihn aus seinen Gedanken; er knurrte eine Antwort ins Mikrophon. Dann blinzelte er ein bißchen und stand auf, denn das Gesicht des Legaten erschien voll auf dem Bildschirm, und seine Miene war keineswegs freundlich.
„Kerwin? Kümmern Sie sich sofort um eine Ablösung für Sie und kommen Sie zur Verwaltung – aber sofort!“
Ein wenig überrascht tat Kerwin, wie ihm aufgetragen war, und fuhr mit dem Lift zum Dachgeschoß mit den hohen Glaswänden hinauf, in dem sich die Büros des Legaten befanden. Als er am Empfangstisch wartete, fiel sein Blick durch die offene Bürotür, und seine Haltung versteifte sich. Zwei Männer in den grünen Uniformen der Stadtpolizei kamen zusammen mit einem dritten Mann heraus, dessen prunkvolle Kleidung und der kurze, juwelengeschmückte Mantel ihn als Angehörigen der Aristokratie auswiesen. Alle drei sahen durch Kerwin hindurch, als sei er aus Glas; ein blitzartiges Begreifen, eine vage, nagende Ahnung sagten ihm, daß er das Schlimmste noch vor sich habe.
„Kerwin! Der Legat möchte Sie sehen!“
Kerwin betrat das Büro. Der Legat sah ihn finster an, und diesmal forderte er ihn nicht einmal auf, Platz zu nehmen.
„Dann ist es also der Darkovaner“, sagte er, und es klang durchaus nicht freundlich. „Ich hätte mir denken können, daß Sie es sind. In welche Geschichte, zum Teufel, sind Sie denn jetzt hineingeschlittert?“
Kerwins Antwort wartete er gar nicht ab.
„Sie waren gewarnt“, fuhr er fort. „Kaum waren Sie vierundzwanzig Stunden da, hatten Sie schon Ärger. In der Altstadt in DarkovanerKleidung herumlaufen und dafür niedergeschlagen und ausgeraubt zu werden, das reichte Ihnen wohl nicht? Überall müssen Sie Ihre Nase hineinstecken, damit Sie noch mehr Scherereien bekommen.“
Kerwin öffnete den Mund zu einer Antwort, aber der Legat ließ ihm keine Zeit dazu. „Ich habe Sie auf die Situation auf Darkover hingewiesen; wir versuchen hier, das Beste aus unerfreulichen Verhältnissen zu machen, und so wie die Dinge liegen, haben wir ein Übereinkommen mit den Darkovanern, und wir müssen uns an dieses Übereinkommen halten, wenn wir dessen Einhaltung auf der anderen Seite erzwingen wollen. Das heißt, daß wir allzu neugierige Touristen von den Darkovaner-Vierteln fernhalten.“
Diese Ungerechtigkeit brachte Jeffs Blut zum Sieden. „Verstehen Sie doch, Sir…“, begann er hitzig.
„Sparen Sie sich’s“, unterbrach ihn der Legat. „Ihre sagenhafte Geschichte, Sie seien hier geboren, hat mich neugierig gemacht. Den ganzen Unterlagen nach haben Sie aber dieses Märchen nur aus der Luft gegriffen. Es gibt keinerlei Daten hier über einen Jeff Kerwin.“ Er lächelte grimmig. „Nur über den einen, der gerade hier vor mir steht.“
„Das ist eine Lüge!“ explodierte Kerwin.
Dann schwieg er plötzlich. Es war ihm, als sitze ihm ein dicker Kloß in der Kehle. Er hatte das rote Warnsignal für den Sonderschaltkreis mit eigenen Augen gesehen. Aber der Mann, den er bestochen hatte, um etwas zu erfahren, hatte ihm gesagt, es könne ihm die Stellung kosten. Konnte er einen Unschuldigen, der ihm helfen wollte, in sein Unglück hineinziehen? Solange er wußte…
Der Legat sah ihn finster an. „Das hier ist keine Welt für Schnüffler und Störenfriede. Ich habe Sie einmal gewarnt. Erinnern Sie sich? Ich habe gehört, daß Sie hier ziemlich viel herumgeschnüffelt haben.“ Plötzlich klang seine Stimme hart und ärgerlich. „Es ist eine offizielle Beschwerde gegen Sie eingelaufen, direkt von der Stadtverwaltung.“
Kerwin holte tief Atem und versuchte, seinen Fall ruhig und vernünftig zu schildern. „Sir“, begann er, „wenn ich das alles nur auf eine bloße Vermutung hin tat, weshalb fühlt man sich durch meine Schnüffelei dann gestört?“ Er machte eine unterstreichende Geste. „Sir, verstehen Sie denn nicht, daß dies ein Beweis für meine Geschichte ist, wenn ein solcher Beweis überhaupt nötig wäre, daß hier etwas vorgeht, etwas ganz Eigenartiges?“
Der Legat schüttelte den Kopf. „Mir beweist das alles nur, daß Sie ein Verrückter mit Verfolgungswahn sind“, antwortete
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