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Die Blutige Sonne - 14

Die Blutige Sonne - 14

Titel: Die Blutige Sonne - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Kristall heraus an, mit großen Augen, die eigentlich mehr durch ihn hindurch in grenzenlose Weiten blickten.
    „Ich glaube an dich“, sagte sie, oder die Worte schienen wenigstens in seinem Gehirn aufgezeichnet zu werden. „Wir brauchen dich. Komm!“
    Kerwins Hände preßten sich um die Tischkante. „Wohin? Wohin?“ schrie er fast.
    Aber der Kristall war tot, leblos, und das Mädchen war verschwunden.
    Er hörte das Echo seines eigenen Schreis von leeren Wänden widerhallen…
    War er verrückt? Träumte er? Kerwin strich sich über die Stirn. Hatte sein Wunschtraum versucht, ihm eine Antwort zu geben?
    Nun blieb ihm nichts anderes zu tun übrig, als seine Habseligkeiten zu packen, Darkover zu verlassen und auf Weltraumfahrt zu gehen, und niemals durfte er zurückkehren. Laß deine Träume zurück, den letzten Rest deiner Jugend, all diese verschwommenen Erinnerungen. Beginne ein neues Leben in engeren Grenzen, eingeschränkt durch die Tafel „Verboten“ für die alten, unreifen Träume und Sehnsüchte, füge dich der Einsamkeit, lebe in Bitterkeit und Resignation…
    Und dann stand etwas in Jeff Kerwin auf, etwas, das nichts zu tun hatte mit dem unterwürfigen Terraner im Zivildienst, es stand auf den Hinterbeinen und schlug mit den Pranken, sagte klar, kalt und unmißverständlich: Nein.
    So ging es nicht. Die Terraner konnten ihn niemals zum Gehen zwingen. Und die Stadtbehörden – wer, zum Teufel, glaubten sie zu sein?
    Die Stimme kam aus dem Kristall – Traum, Einbildung? Nein, dachte Kerwin. Es war die Stimme seines eigenen Herzens, das sich weigerte, den Befehlen irgendwelcher Behörden zu gehorchen. Das hier war seine eigene Welt, und er wollte verdammt sein, wenn er sich zwingen ließ, sie zu verlassen.
    Es schien aus ihm selbst herauszukommen, ein lange begrabenes, anderes Ich. Kerwin beobachtete sich selbst in wachsendem Staunen, als er im Zimmer herumging. Er sah seine Habseligkeiten durch, legte den größten Teil beiseite, warf einiges von den übrigen Dingen in eine Tasche, ließ den Rest, wo er war. Den Matrix steckte er in die Tasche. Dann nahm er den Darkovaner-Mantel aus dem Schrank, den er in seiner ersten Nacht auf Darkover gekauft hatte, legte ihn über die Schultern und schloß ihn. Er warf einen kurzen Blick in den Spiegel und nickte zufrieden, geistesabwesend. Ohne noch einen Blick zurückzuwerfen, wollte er sein Zimmer verlassen, und nur ganz verschwommen drang der Gedanke an die Oberfläche seines Bewußtseins, daß er niemals hierher zurückkehren werde.
    An der Tür blieb er einen Augenblick stehen. Eine klare, unmißverständliche innere Stimme sagte: Nein, nicht jetzt. Warte!
    Er verstand es nicht, gab aber der Ahnung nach. Was sollte er sonst tun? Er setzte sich hin und wartete. Es war eigenartig: er wurde nicht ungeduldig dabei. Er hatte das gleiche, wachsame Gefühl wie eine Katze, die vor einem Mauseloch auf der Lauer liegt; in sich ruhende Sicherheit; das Bewußtsein, daß es richtig war. Er saß ruhig dort, pfiff unablässig ein paar Noten fast tonlos vor sich hin; die Hände hatte er gefaltet. Er war ganz ruhig. Eine halbe Stunde, eine Stunde, eineinhalb Stunden vergingen; sein Rücken war verkrampft, er bewegte sich automatisch, um den Krampf zu lösen, aber er wartete.
    Jetzt.
    Wieder über fiel ihn diese eigenartige Ahnung. Kerwin stand auf, fingerte automatisch an dem Matrix in seiner Tasche, verließ das Zimmer und trat auf den verlassenen Korridor hinaus. Leise ging er den Gang entlang und überlegte sich, ob der Suchbefehl schon bereitliege für den Fall, daß man ihn nicht mehr in seinem Zimmer fände. Vermutlich war das so. Komisch, er hatte überhaupt keinen Plan außer dem einen vagen Vorsatz, den Gehorsam zu verweigern, falls man ihn abschieben wollte. Das hieß aber, daß er unbeobachtet die Enklave verlassen mußte. Was hernach kam, das wußte er nicht, und es war ihm auch völlig gleichgültig.
    Im Hauptkorridor mußte er befürchten, Kollegen zu treffen, und der Darkovaner Mantel, den er trug, mochte diese zu Fragen veranlassen; deshalb ging er auf einen wenig benutzten Dienstaufzug in einem der Seitenflügel zu. Als er hinunterfuhr, überlegte er sich, daß es zweckmäßiger sei, den Mantel abzulegen, bis er die Terrazone hinter sich hatte. Er hob die Hand, um den Verschluß zu öffnen.
    Nein.
    Klar und unmißverständlich stand die Warnung vor seinem Geist. Er ließ verwirrt die Hand fallen.
    Er benutzte den Ausgang in einen schmalen Korridor und

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