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Die Blutige Sonne - 14

Die Blutige Sonne - 14

Titel: Die Blutige Sonne - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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von vierundzwanzig Stunden möchte ich einen Versetzungsantrag von Ihnen vorgelegt bekommen, und ich wünsche außerdem, daß Sie in Ihrem Quartier bleiben, bis Sie abreisen. Wir können die ganze Angelegenheit diskret abmachen, oder“ – sein Kinn schob sich aggressiv vor – „ich stelle Sie unter Hausarrest, wenn Ihnen das lieber ist.“
    Betäubt schüttelte Kerwin den Kopf und verließ das Büro des Legaten.
    Verloren – er hatte das Spiel verloren. Das Geheimnis war zu groß, zu überwältigend für ihn. Er war gegen etwas gerannt, das seine Kräfte bei weitem überstieg.
    Oder war er nur ein Träumer, ein größenwahnsinniger Narr mit Verfolgungswahn als Kompensation für seine Kindheit im Waisenhaus und mit Träumen, die größer waren als alles, was er kannte?
    Unruhig, rastlos trat er ans Fenster und starrte auf die rote Sonne, die sich den Hügeln zuneigte. Die blutrote, die grausame Sonne. Als die Dunkelheit von den Hügeln niederfiel, stand er noch immer, die Fäuste geballt, und starrte zum Himmel hinauf in den dichter werdenden Nebel. Darkover – für mich das Ende von Darkover, dachte er. Die Welt, um die ich kämpfte, stößt mich wieder von sich. Ich habe gearbeitet, geplant, nur um hierherzukommen. Weshalb? Alles, was ich davon habe, ist Angst, sind verschlossene Türen, der Tod…
    Seit meiner Kindheit habe ich gewußt, daß Terra mir nichts bedeutet. Und nun treibt mich auch Darkover in die Fremde und sagt mir: Wir haben keinen Platz für dich.
    Aber warum das alles?
    Wie unter einem Zwang schob Kerwin die Hand in die Tasche und nahm den Matrixkristall heraus. Irgendwie war er der Schlüssel zu den Rätseln und Geheimnissen. Er sah ihn an, als halte er in seinen kalten Tiefen all die Antworten versteckt, die ihm überall vorenthalten wurden.
    Er zog die Vorhänge vor die Schwärze draußen, die glimmenden Lichter des Raumhafens unter ihm, und legte den Kristall auf den Tisch. Er zögerte, denn vor seinem geistigen Auge erschien das Gesicht jener Frau, die ein unerwarteter Tod vor ihn hingestreckt hatte.
    Ragan hatte den Kristall benutzt, und ihm war nichts geschehen.
    Er selbst hielt für verrückt, was er tat, aber er setzte den Kristall zurecht, beschattete seine Augen und schaute in ihn hinein. Nichts geschah. Verdammt, dachte er, vielleicht ist ein besonderer Trick dahinter, wie man sich auf ihn konzentrieren muß. Vielleicht wäre es besser, Ragan zu suchen, ihn zu überreden oder zu zwingen, ihm – Kerwin – zu zeigen, wie er damit umgehen mußte.
    Angestrengt starrte er in den Kristall, und einen Augenblick lang schien es ihm, als zucke ein fahler Lichtschein darin auf; aber er verschwand wieder, und Kerwin schüttelte verwirrt den Kopf. Sein Nacken fühlte sich steif an, und seine Augen spielten ihm Possen – sonst nichts. Er hatte von Leuten gehört, die den alten Trick eines „Kristallguckers“ kannten, eine Art von Selbsthypnose. Anscheinend war das ähnlich…
    Er blinzelte; aber das Licht verschwand nicht.
    Es kroch als stecknadelgroßer Lichtpunkt langsam, schwach durch den Kristall; es flackerte. Kerwin sprang auf. Ihm war, als berühre ihn das Ende eines rotglühenden Drahtes, aber er wußte nicht, was dieses Gefühl ausgelöst hatte. Er hörte leise, weit weg, eine Stimme. Rief sie seinen Namen?
    Halb betäubt schüttelte er den Kopf und klammerte die Fäuste um die Tischkante. Sein Kopf schmerzte.
    Er hörte sprechen; ihm erschien es wie eine ungeordnete Folge von Silben; ein leises Murmeln, immer weiter, immer weiter, knapp unter der Grenze seines Bewußtseins wie ein Fluß, der über scharfe Steine rinnt.
    Kerwin, Kerwin…
Es ist das eine…
Du kannst es jetzt nicht erkämpfen.
    Wenn er uns nützt, wird er seinen Weg finden. Auf dieser Prüfung bestehe ich…
Ein Barbar, ein Terraner…
    Es klang eigenartig, fast als habe der Rotschopf im Sky-Harbor Hotel gesprochen, aber als Kerwin sich umdrehte, sah er, daß niemand im Zimmer war, und die eigenartigen Stimmen – waren es Stimmen? – waren verklungen. Er beugte sich über den Kristall und sah ihn an.
    Dann sah er das Mädchen.
    Der Schimmer rötlichen Haares ließ ihn einen Moment lang glauben, es sei das Mädchen mit dem Koboldgesicht, von den beiden Darkovaner Aristokraten Taniquel genannt. Aber er merkte sofort, daß es ein Irrtum war. Das Mädchen war groß und sehr schlank, und ihr Haar war mehr golden als rot, ihr Gesicht rund, kindlich, unerweckt; mit träumerischen grauen Augen sah sie ihn aus dem

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