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Die Blutige Sonne - 14

Die Blutige Sonne - 14

Titel: Die Blutige Sonne - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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sah Kerwin aus trüben, ausdruckslosen Augen an.
    „Wollten Sie etwas?“ fragte sie uninteressiert.
    „Ein Mann namens Ragan schickt mich her. Er sagte mir, Sie seien Matrixspezialistin.“
    „Von denen gibt es genug“, antwortete sie gleichgültig. „Warum kommen Sie zu mir? Sie haben mich schon lange hinausgeworfen. Ja, ich arbeite noch ein bißchen. Aber es wird Sie etwas kosten. Wenn es nicht ungesetzlich wäre, kämen Sie ja nicht zu mir.“
    „Was ich von Ihnen will, ist nicht ungesetzlich, soviel ich weiß. Aber vielleicht ist es unmöglich.“
    Ein Schein von Interesse blitzte in ihren trüben Augen auf. „Kommen Sie herein.“ Sie trat zur Seite und bat ihn mit einer Geste ins Zimmer. Es war ziemlich sauber, aber ein eigenartiger, stechendvertrauter Geruch hing darin. In einer flachen Pfanne brannten Kräuter; die Frau stocherte im Feuer, und aromatischer Rauch stieg auf; als sie sich umdrehte, schienen ihre Augen lebendiger zu sein.
    Kerwin konnte sich nicht erinnern, jemals eine so farblose Person gesehen zu haben. Ihr Haar, das in Locken auf den Nacken fiel, war von einem ausgeblichenen Grau, ebenso ihre Kleidung. Sie ging mühsam. als ob jeder Schritt ihr Schmerzen bereite. Langsam ließ sie sich auf einem Stuhl nieder und bat ihn mit einer müden Kopfbewegung, sich neben sie zu setzen.
    „Nun, was wollten Sie, Terraner?“
„Woher wußten Sie…“
    Ihre blassen Lippen verzogen sich zu einer Andeutung eines Lächelns. „Ihr Darkovan ist perfekt“, sagte sie. „Aber denken Sie daran, was ich bin. In Ihrem Gang, Ihrer Sprache drückt sich eine andere Welt aus. Verschwenden Sie nicht Ihre und meine Zeit mit Lügen, Terraner.“
    Kerwin nickte und schob seine Kopfbedeckung zurück. Schließlich hatte wenigstens sie ihn nicht für einen geheimnisvollen „anderen“ gehalten. Vielleicht, dachte Kerwin, ist sie ehrlich mit mir, wenn ich es mit ihr bin.
    Er legte den Matrixkristall vor sie hin.
    „Ich bin auf Darkover geboren“, begann er, „aber auf der Erde aufgewachsen. Mein Vater war Terraner. Ich kam mit dem Vorsatz hierher zurück, etwas über mich selbst herauszufinden. Ich dachte, das würde sehr einfach sein.“
    „Und das ist es nicht? Nicht einmal damit?“
    Sie beugte sich über den Kristall und nahm ihn. Im Gegensatz zu den anderen Spezialisten faßte sie ihn mit bloßen Händen an. Es waren schöne Hände, jünger als alles übrige an ihr, zart und feingliedrig.
    „Ein schönes Spielzeug“, bemerkte sie. „O Ja, und noch etwas mehr. Er wurde Ihnen gegeben, damit Sie die Spur… Erzählen Sie.“
    Plötzlich fühlte Kerwin sich sicher; er sprach von den Ereignissen der letzten Tage, berichtete von den Verwechslungen mit irgendeinem anderen, dem Überfall auf der Straße, seinem Mißerfolg, als er versucht hatte, seine Personalunterlagen im Waisenhaus zu bekommen und schließlich von der Weigerung der Matrixspezialisten, ihm überhaupt etwas zu sagen. Sie hörte ruhig zu, die Augen fest auf ihn gerichtet.
    „Die Goldene Glocke ist gerächt…“ Diese Worte wiederholte sie in der Sprache der Darkovaner und flüsterte die vier Silben Cle-indori; dann sprach sie weiter: „Ja, Cleindori war sehr schön. Lange, lange suchte man sie in den Hügeln jenseits des Kadarin…“
    Sie erhob sich und nahm einen in Seide gewickelten Gegenstand aus dem Schrank; dann legte sie einen kleinen Weidenrahmen vor sich auf den Tisch. Sorgfältig wickelte sie die Seide auf, ohne den Gegenstand darin zu berühren, und legte ihn in den Rahmen. Es war ein Kristall ähnlich dem seinen, nur größer und mit blauen Lichtern, die in seinem Innern funkelten.
    Die Frau legte eine Hand über die Augen und blickte in den Kristall, blinzelte, schloß die Augen und warf dann aus zusammengekniffenen Augen einen Blick auf Kerwin.
    „Sie sind nicht der, der Sie zu sein scheinen“, flüsterte sie; die Worte klangen eigenartig verschleiert. „Sie kamen hierher, um das Glück zu finden, aber Sie werden etwas anderes finden. Sie werden das finden, was Sie wünschen, Sie werden es zerstören und es gleichzeitig retten…“
    Kerwin runzelte die Brauen und sagte grob: „Ich bin nicht hierhergekommen, um mir wahrsagen zu lassen.“
    Sie schien jedoch nichts zu hören. Fast unhörbar, zusammenhangs los murmelte sie vor sich hin. Es war ziemlich dunkel im Zimmer; nur vom Kräuterbecken wehte ein fahler Lichtschein durch den Raum. Und es war kalt. Ungeduldig rutschte Kerwin auf seinem Stuhl hin und her. Sie machte eine

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