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Die Blutige Sonne - 14

Die Blutige Sonne - 14

Titel: Die Blutige Sonne - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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sich um, fast ein wenig betäubt. Wenn er etwas Falsches getan hatte, konnte er immer noch versuchen, zum Hauptquartier zurückzukehren und das zu akzeptieren, was auf ihn wartete, aber er ahnte nicht einmal, in welcher Richtung das Hauptquartier lag. Und was ihn bis hierher geführt hatte, schien ihn nun verlassen zu haben.
    Er stand an der Ecke des Platzes, dessen eine Seite von einer Reihe kleiner Läden begrenzt war. Auf der anderen Seite standen alte Häuser kreuz und quer zum Gehsteig und boten dem Regen ihre matt erhellten Fassaden dar. Kerwin fuhr sich mit einem nassen Ärmel über das regenfeuchte Gesicht und starrte durch den mit Graupelregen vermischten Nebel hinüber zur anderen Seite des Platzes, wohinter einer niedrigen Mauer ein Gebäude vor dem dunklen Nachthimmel stand. Er sah Lichter, und die durchscheinenden Wände ließen bewegte Gestalten erkennen. Magnetisch angezogen von diesen Lichtern, überquerte er den Platz, blieb eine Weile stehen und kämpfte gegen etwas Unsichtbares, das ihn zog. Was tue ich, dachte er wieder. Ich kann doch nicht einfach da hineingehen. Bin ich denn wirklich verrückt?
    Nein. Unmöglich. Das kann ich nicht.
    Was ist in mich gefahren? Wie kann ich so etwas auch nur denken?
    Aber im gleichen Augenblick, als er sich klarzumachen versuchte, daß er nicht verrückt war, sah er sich – im Geist – die Treppe hinaufsteigen und fast automatisch zur Tür gehen, sie aufstoßen, hindurchgehen und stehenbleiben.
    Du bist ein Narr, Kerwin, sagte er zu sich selbst. Dreh dich um und verschwinde, bevor du dich in Dinge einläßt, mit denen du nicht mehr fertig wirst. Du mußt ja nicht gerade immer in einer Allee niedergeschlagen werden.
    Langsam setzte er Schritt vor Schritt und stieg nun wirklich die ausgetretenen Stufen hinauf, die zu einer hell erleuchteten Tür führten.
    Jetzt ist es zu spät, dachte er, jetzt kann ich genausogut weitergehen.
    Er griff nach der Türklinke – graviertes Metall in Form eines Phönix – und drückte sie langsam. Die Tür öffnete sich. Er trat ein und stand in einer strahlendhell erleuchteten Halle. Sein Gesicht war noch feucht vom Regen.
    Meilenweit weg, in der Terra-Zone, ging ein Mann ans Telefon und verlangte ein dringendes Gespräch mit dem terranischen Legaten.
    „Ihr Vogel ist ausge flogen“, berichtete er, und das Gesicht des Legaten auf dem Bildschirm hatte einen gefaßten, ja blasierten Ausdruck. „Das dachte ich mir. Man muß nur hart genug zustoßen, dann bewegen sie sich. Ich wußte, daß es so kommt.“
    „Was Sie sagen, Sir, klingt recht sicher. Vielleicht ist er selbst davongelaufen.“
    Der Legat schüttelte den Kopf. „Das bezwei fle ich.“
„Sollen wir ihn beschatten?“
    „Nein, zum Teufel, nein!“ kam sofort die Antwort. „Lassen Sie Ihn; keine Zügel anlegen. Die Leute sind doch keine Narren. Nein, jetzt sind sie am Zug – und wir warten.“
    „Das tun wir seit zwanzig Jahren“, knurrte der Mann, und der Legat nickte. „Stimmt. Und wir werden weitere zwanzig Jahre warten, wenn es nötig ist. Aber ich bin der Meinung, so lange wird es nicht mehr dauern. Die Zeit arbeitet für uns, warten Sie nur.“
    Ein Bildschirm in der Terrazone verdunkelte sich. Nach einer Weile drückte der Legat auf einen anderen Knopf und bat um das Geheimdossier auf den Namen KERWIN.
    Er war zufrieden.

[6]
    Kerwin stand in der Halle und blinzelte in das Licht. Er wischte sich die Regentropfen vom Gesicht und horchte auf den nachlassenden Sturm draußen. Einen Augenblick war das alles, was er hörte. Dann durchbrach ein helles Lachen die Stille.
    „Ich habe gewonnen!“ rief eine mädchenhafte Stimme. „Ich habe es dir gesagt.“
Ein Vorhang am anderen Ende der Halle teilte sich. Eingerahmt von schweren Falten stand dort ein Mädchen, ein kleines, keckes Mädchen mit hochgekämmtem, rotgoldenem Haar und einem Koboldgesicht. Sie lachte ihn an. „Er ist es!“ rief sie.
Hinter ihr erschienen zwei Männer, und Kerwin überlegte, ob ein Wachtraum oder ein Nachtmahr ihn foppte. Es waren die drei Rotköpfe aus dem Sky-Harbor-Hotel; die hübsche Taniquel, der schlaue, arrogante Auster und der stämmige, weltmännische Kennard.
    „Natürlich ist er’s“, sagte Kennard. „Hattest du das denn nicht vermutet, Taniquel?“
Auster blickte finster drein und sagte nichts.
Kennard schob Taniquel sanft zur Seite und kam auf Kerwin zu, der erschrocken überlegte, ob er sich nicht für sein Eindringen zu entschuldigen habe. Einen Schritt vor Kerwin

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