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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Bild er seit seiner Kindheit im Herzen trug, nicht verbringen wollen. Er wußte nicht recht, was er wollte – aber bestimmt hatte er sich nicht vorgestellt, daß er die ganze Nacht in einer Raumhafenbar sitzen und sich betrinken würde!
    »Hör mal, Ellers …«
    Nur ein leises Schnarchen antwortete ihm. Ellers war an seinem Platz zusammengesunken und völlig hinüber.
    Das mollige darkovanische Barmädchen kam mit neuem Wein – Kerwin hatte nicht verfolgt, wie oft sie schon nachgeschenkt hatte – und betrachtete Ellers mit einer professionellen Mischung aus Enttäuschung und Resignation. Nachdem sie Kerwin mit einem schnellen Blick gestreift hatte, übertrug sie ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Als sie sich vorbeugte, um einzugießen, streifte sie ihn kunstvoll. Ihr loses Gewand war an der Kehle nicht zusammengesteckt, so daß er das Tal zwischen ihren Brüsten sehen konnte, und der vertraute süße Geruch nach Weihrauch hing an ihrem Kleid und ihrem Haar. Tief in Kerwins Innerem begann eine Saite zu schwingen, als er den Duft nach Darkover, nach Frau einsog. Aber er sah nochmals hin und erkannte, daß ihre Augen hart und seicht waren und ihre liebliche Stimme einen scharfen Unterton hatte, als sie säuselte: »Dir gefallen, was du sehen, großer Mann?«
    Sie sprach gebrochenes Terra-Standard, nicht den wohlklingenden Stadt-Dialekt. Hinterher wurde sich Kerwin bewußt, daß ihn das am meisten gestört hatte. »Du mögen Lomie, großer Mann? Du kommen mit mir, ich hübsch und warm, du werden sehen …«
    Kerwin hatte einen schalen Geschmack im Mund, und das war nicht der Nachgeschmack des Weins. Welcher Himmel und welche Sonne es auch sein mochten, wie man die Welt auch nannte, die Mädchen in den Bars der terranischen Handelsstädte waren überall die gleichen.
    »Du kommen? Du kommen …?«
    Ohne recht zu wissen, was er vorhatte, faßte Kerwin den Rand der Tischplatte und wuchtete sich hoch. Hinter ihm fiel krachend die Bank um. Er ragte über das Mädchen empor, musterte sie finster durch das trübe, rauchgeschwängerte Licht, und von seinen Lippen stürzten Worte in einer lange vergessenen Sprache:
    » Hebe dich hinweg, du Tochter einer Bergziege, und verberge deine Schande anderswo, nicht indem du bei Männern von Welten liegst, die deine eigene verachten! Wo ist der Stolz der Cahuenga geblieben, Schändliche? «
    Das Mädchen keuchte und wich zurück. Krampfhaft raffte sie das Kleid über ihren bloßen Brüsten zusammen. Sie verbeugte sich beinahe bis zum Boden. Sie schluckte, aber eine Zeitlang bewegten sich ihre Lippen nur tonlos. Dann flüsterte sie:
    » S’dia shaya … d’sperdo, vai dom alzuo …« Weinend entfloh sie. Ihr Schluchzen und der Duft ihres Haars blieben hinter ihr zurück.
    Kerwin hielt sich schwankend an der Tischkante fest. Gott, wie man sich doch betrinken kann! Was habe ich da eben für einen Unsinn von mir gegeben?
    Er war bestürzt über sein eigenes Verhalten. Was sollte denn das? Das arme Mädchen hatte vor Angst beinahe den Verstand verloren! Er war nicht tugendhafter als der nächstbeste Mann. Welcher puritanische Überrest hatte ihn veranlaßt, in heiligen Zorn zu geraten und sie derartig niederzuschmettern? Er hatte seinen Anteil an den Raumhafenmädchen auf mehr als einer Welt gehabt.
    Und welche Sprache hatte er überhaupt gesprochen? Er wußte, es war nicht der Stadtdialekt gewesen, aber was dann? Er konnte sich nicht erinnern, so sehr er sich auch bemühte. Nicht eine Silbe war noch von den Wörtern vorhanden, die plötzlich in seinem Geist aufgetaucht waren, nur die sie begleitende Empfindung war geblieben.
    Ellers hatte glücklicherweise während der ganzen Szene geschnarcht. Kerwin konnte sich vorstellen, wie ihn der andere aufgezogen hätte, wäre er wach gewesen. Er dachte: Wir sollten hier lieber verschwinden, solange ich den Weg noch finde – und bevor ich noch etwas Verrücktes anstelle!
    Er bückte sich und schüttelte Ellers, aber Ellers brummte nicht einmal. Kerwin erinnerte sich, daß Ellers ebensoviel getrunken hatte wie er und Ragan zusammen. Das tat er in jedem Raumhafen. Kerwin zuckte die Schultern, stellte die Bank wieder auf, die er umgeworfen hatte, hob Ellers Füße hinauf und ging unsicher auf die Tür zu.
    Luft. Frische Luft. Das war alles, was er brauchte. Dann sollte er besser in die Terranische Zone zurückgehen. Innerhalb der Raumhafentore wußte er wenigstens, wie er sich zu benehmen hatte. Aber, dachte er verwirrt, ich hatte mir eingebildet, ich

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