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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Eindruck gewonnen, daß unter diesen Leuten schon eine zufällige Berührung von einem Tabu umgeben war. Kennard zog seine Hand rasch zurück und sagte: »Er ist nicht der älteste und nicht einmal der mächtigste der Comyn -Türme. Aber seit hundert Generationen haben unsere Hüterinnen den Arilinn-Turm in einer ungebrochenen Folge reinen Comyn -Blutes geleitet.«
    »Und«, ließ sich Auster hinter ihnen hören, »in der hundertundersten Generation bringen wir den Sohn eines Terraners und einer abtrünnigen Leronis her!«
    Taniquel drehte sich heftig zu ihm um. »Willst du das Wort Elories von Arilinn in Frage stellen?«
    Kerwin trat zornig auf Auster zu. Er hatte sich von ihm bereits genug gefallen lassen, und jetzt hatte der Mann seine Eltern geschmäht! Der Sohn eines Terraners und einer abtrünnigen Leronis …
    Kennards tiefe Stimme klang streng.
    »Auster, das reicht; ich habe es dir gesagt, bevor wir hierherkamen, und ich sagte es jetzt zum letzten Mal. Der Mann ist für seine Eltern und ihre angeblichen Sünden nicht verantwortlich. Und Cleindori, vergiß das nicht, war meine Pflegeschwester und meine Bewahrerin, und wenn du noch einmal in diesem Ton von ihr sprichst, wirst du dich nicht ihrem Sohn, sondern mir gegenüber zu verantworten haben!«
    Auster ließ den Kopf hängen und murmelte etwas, das sich wie eine Entschuldigung anhörte. Taniquel kam an Kerwins Seite und schlug vor: »Laß uns hineingehen. Wir wollen doch nicht den ganzen Tag auf dem Landefeld herumstehen!«
    Kerwin spürte neugierige Blicke, als er das Feld überquerte. Die Luft war klamm und feucht, und es schoß ihm durch den Kopf, wie angenehm es sein würde, unter ein Dach zu kommen, warm zu werden und sich zu entspannen, und daß er sehr gern ein Bad und etwas zu trinken und ein Abendessen – nein, ein Frühstück! – hätte. Schließlich war er die ganze Nacht auf gewesen.
    »Alles zu seiner Zeit«, sagte Kennard, und Kerwin zuckte zusammen. An Kennards Trick, seine Gedanken zu lesen, mußte er sich erst noch gewöhnen. »Ich fürchte, zuerst mußt du die anderen hier kennenlernen. Natürlich brennen wir darauf, alles über dich zu erfahren, besonders die unter uns, die noch keine Gelegenheit hatten, dich von Angesicht zu Angesicht zu sehen.«
    Kerwin wischte das Blut ab, das immer noch von seiner Lippe tröpfelte. Wenn sie ihm doch Gelegenheit gäben, sich zu säubern, bevor sie ihn Fremden vorführten! Er wußte noch nicht, daß Telepathen selten auf das Äußere eines Menschen achten. Er ging über einen Hof, der von kasernenartigen Gebäuden umgeben war, und einen langen Durchgang entlang, den ein hölzernes Tor abschloß. Am Geruch erkannte Kerwin, daß in der Nähe ein Pferdestall sein mußte. Erst als sie sich dem Turm näherten, fiel ihm auf, wie die klare Linie der Architektur von den niedrigen Gebäuden an seinem Fuß verunstaltet wurde. Sie durchquerten zwei weitere Außenhöfe, und endlich erreichten sie einen Bogengang, über dem ein dünner, regenbogenfarbener Nebel schimmerte.
    Hier blieb Kennard stehen und sagte zu Kerwin: »Kein lebender Mensch außer jenen aus reinem und unverfälschtem Comyn -Blut hat je diesen Schleier durchschritten.«
    Kerwin zuckte die Schultern. Er merkte, man erwartete von ihm, daß er sich beeindruckt zeige oder etwas dergleichen, aber allmählich wirkten Überraschungen nicht mehr auf ihn. Er war müde und hungrig, er hatte achtundvierzig Stunden lang nicht mehr geschlafen, und es machte ihn nervös, daß alle, sogar Auster, gespannt waren, was er jetzt sagen oder tun werde. Gereizt fragte er: »Was ist das, ein Test? Geht es hier entlang?«
    Sie blieben stehen, deshalb entschloß er sich und ging durch den zitternden Regenbogen.
    Er fühlte sich schwach elektrisch an, wie tausend Nadelspitzen, als sei sein ganzer Körper ein eingeschlafener Fuß. Als Kerwin zurückblickte, konnte er die anderen nur noch als ganz undeutliche Schatten erkennen. Plötzlich begann er zu zittern. War das alles nur ein kunstvoll angelegter Plan, ihn in eine Falle zu locken? Er stand allein in einer winzigen fensterlosen Kammer, einer Sackgasse, und nur der Regenbogen hinter ihm spendete schwaches Licht.
    Dann kam Taniquel durch den Schleier, und Auster und Kennard folgten ihr. Kerwin stieß einen Seufzer törichter Erleichterung aus … Wenn sie Böses im Schilde führten, hätten sie es nicht nötig gehabt, ihn so weit fort zu bringen!
    Taniquel machte Zeichen mit ihren Fingern, nicht unähnlich denen, die

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