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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Auster zur Steuerung des Flugzeugs benutzt hatte. Das Kämmerchen schoß so plötzlich nach oben, daß Kerwin schwankte und beinahe wieder gefallen wäre. Der Aufzug erbebte und hielt, und sie gelangten durch einen weiteren offenen Bogengang in einen erleuchteten Raum, der auf eine breite Terrasse hinausging.
    Der Raum war von ungeheurer, widerhallender Größe und Höhe, und trotzdem vermittelte er paradoxerweise gleichzeitig den Eindruck von Wärme und Intimität. Die Fliesen des Fußbodens waren uneben, als seien schon sehr viele Füße darüber geschritten. Am hinteren Ende des Raums brannte ein Feuer, das nach Weihrauch duftete. Dort hockte ein pelziges, dunkles, nicht menschliches Wesen und fachte die Flammen mit einem langen Blasebalg von seltsamer Form an. Als Kerwin eintrat, wandte ihm das Geschöpf große, pupillenlose grüne Augen zu und musterte ihn mit einem intelligent fragenden Blick.
    Zur Rechten des Feuers standen ein schwerer, geschnitzter Tisch aus einem glänzenden Holz, ein paar verstreute Armsessel und ein großer Diwan in der Art einer Plattform, die mit Haufen von Kissen bedeckt war. Gobelins schmückten die Wände. Eine Frau mittleren Alters erhob sich aus einem der Sessel und kam ihnen entgegen. Sie blieb einen Schritt vor Kerwin stehen und betrachtete ihn mit kühlen, klugen grauen Augen.
    »Der Barbar«, stellte sie fest. »Nun, er sieht ganz so aus mit dem Blut auf seinem Gesicht. Noch eine Schlägerei, Auster, und du kannst für eine Jahreszeit zurück nach Nevarsin ins Haus der Pönitenz gehen.« Nach kurzem Überlegen setzte sie hinzu: »Im Winter.«
    Ihre Stimme war tief und barsch. Das Haar, das einmal ingwerfarben gewesen sein mußte, war reichlich mit Grau durchsetzt. Ihr Körper unter den schweren Schichten aus Röcken und Umschlagtüchern, die sie trug, war dick und kompakt, aber sie war zu muskulös, um fett zu wirken. Aus ihrem Gesicht mit den von Fältchen umgebenen Augen sprach Humor.
    »Und welchen Namen haben die Terraner dir gegeben?«
    Kerwin nannte der Frau seinen Namen, und sie wiederholte ihn, indem sie die Lippen leicht verzog.
    »Jeff Kerwin. Ja, das war zu erwarten. Mein Name ist Mesyr Aillard, und ich bin eine sehr entfernte Cousine von dir. Wenn du aber glaubst, ich sei stolz auf die Verwandtschaft – ich bin es nicht.«
    Unter Telepathen sind höfliche gesellschaftliche Lügen bedeutungslos. Beurteile ihr Benehmen nicht nach terranischen Begriffen . Kerwin fand, trotz ihrer Grobheit hatte diese herzhafte alte Dame etwas an sich, das ihm gefiel. Er antwortete liebenswürdig: »Vielleicht kann ich eines Tages Eure Meinung ändern, Mutter.« Er benutzte das darkovanische Wort, das nicht eigentlich Mutter und auch nicht Pflegemutter bedeutete, sondern als Anrede für jede weibliche Verwandte aus der Generation der eigenen Mutter verwendet werden konnte.
    »Du kannst mich Mesyr nennen!« fuhr sie ihn an. »So alt bin ich noch nicht! Und mach den Mund zu, Auster, er steht offen, als wolltest du ein Banshee verschlucken! Er hat ja nicht die leiseste Ahnung, daß er beleidigend ist. Er kennt unsere Sitten nicht. Wie sollte er auch?«
    »Wenn ich Anstoß erregt habe, als ich beabsichtigte, höflich zu sein …« begann Kerwin.
    »Dafür darfst du mich Mutter nennen, wenn du möchtest«, unterbrach Mesyr ihn. »Ich gehe nicht einmal mehr in die Nähe der Schirme, seit mein Junge Corus alt genug ist, in ihnen zu arbeiten. Das Tabu halte ich immerhin ein. – Mein Sohn Corus. Und wie nennen wir dich? Jefferson …« Der Name wollte ihr schwer über die Zunge. »Jeff?«
    Ein langgliedriger Teenager war eingetreten und gab Kerwin die Hand, als sei das ein Akt offizieller Herausforderung. Er grinste auf eine Art, die Kerwin an Taniquel erinnerte, und sagte: »Corus Ridenow. Bist du wirklich auf anderen Planeten, im Raum gewesen?«
    »Viermal. Auf drei anderen Planeten, Terra selbst mitgerechnet.«
    »Hört sich interessant an«, meinte Corus beinahe sehnsüchtig. »Ich bin noch nie weiter als Nevarsin gekommen.«
    Mesyr warf Corus einen verweisenden Blick zu und fuhr mit ihrer Vorstellung fort: »Das ist Rannirl, unser Techniker.«
    Rannirl war etwa in Kerwins Alter, ein dünner, großer, tüchtig aussehender Bursche mit rotem Bartschatten und schwieligen, muskulösen Händen. Er reichte Jeff nicht die Hand, sondern verbeugte sich förmlich und sagte: »Sie haben dich also gefunden. Ich hatte es nicht geglaubt, und ich glaubte auch nicht, daß du durch den Schleier gelangen

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