Die blutige Sonne
getrunken. Natürlich warst du auch nicht gerade kooperativ.«
Wieder brach Auster in einen unverständlichen Wortschwall aus, und Kennard winkte ihm zu schweigen. »Spar deinen Atem, Auster, er versteht kein Wort davon. – Jedenfalls hast du den ersten Test bestanden, du besitzt rudimentäres Laran . Und weil wir wissen, wer du bist, und – und bestimmter anderer Dinge wegen – werden wir herausfinden, ob du genug davon hast, um uns nützlich zu sein. Wie ich es sehe, hast du den Wunsch, auf Darkover zu bleiben. Wir bieten dir die Möglichkeit.«
In seiner Benommenheit hatte Kerwin den Eindruck, daß Kennards Erklärungen alles nur noch verworrener machten. Er konnte nichts anderes tun, als ihn anstarren.
Er war seiner Eingebung gefolgt, und wenn die ihn aus der Falle in den Kochtopf geführt hatte, brauchte er sich bei niemandem als sich selbst dafür zu bedanken.
Nun, da bin ich , dachte er. Das einzige Problem ist, daß ich nicht die nebelhafteste Idee habe, wo ›da‹ ist!
»Was ist das für ein Haus?« fragte er. »Ist das …«, er wiederholte das Wort, das er von Kennard gehört hatte, »Armida?«
Kennard schüttelte lachend den Kopf. »Armida ist das Große Haus der Alton-Domäne. Es liegt in den Kilghardbergen, weiter als einen Tagesritt von hier entfernt. Dies ist das Stadthaus meiner Familie. Am vernünftigsten wäre es gewesen, dich in die Comyn -Burg zu bringen. Aber einige der Comyn wollten mit diesem …« – er zögerte – »… diesem Experiment nichts zu tun haben, bevor feststand, was so oder so geschehen werde. Und es war besser, daß nicht zu viele Leute erfuhren, was geschah.«
Kerwin blickte auf die kostbaren Draperien, die mit Gobelins behängten Wände. Der Raum kam ihm irgendwie vertraut vor, vertraut und fremd, einem jener alten, halb vergessenen Träume entstiegen. Kennard beantwortete seine unausgesprochene Frage.
»Vielleicht bist du als sehr kleines Kind ein- oder zweimal hier gewesen. Aber ich bezweifele, daß du dich daran erinnern kannst. Jedenfalls –« Er sah zu Taniquel und Auster hinüber. »Wir sollten aufbrechen, sobald wir können. Ich möchte die Stadt möglichst bald verlassen. Und Elorie wartet auf uns.« Sein Gesicht wurde plötzlich ernst. »Ich brauche dir nicht erst zu sagen, daß es – Leute – gibt, die hiermit gar nicht einverstanden sind, und wir möchten sie mit vollendeten Tatsachen konfrontieren.« Seine Augen schienen durch Kerwin hindurchzublicken. »Du bist bereits einmal angegriffen worden, nicht wahr?«
Kerwin verschwendete keine Zeit auf Überlegungen, wieso Kennard das wußte. Er antwortete: »Ja«, und Kennard blickte finster drein. Er sagte: »Zuerst dachte ich, Auster stecke dahinter. Aber er schwor mir, das sei nicht der Fall. Ich hatte gehofft – dieser alte Haß, der Aberglauben, die Furcht – ich hatte gehofft, innerhalb einer Generation würden sie sich legen.« Er seufzte und wandte sich Taniquel zu.
»Laß mich nur noch den Kindern gute Nacht sagen. Dann bin ich bereit, mit euch zu gehen.«
Ein kleines Luftschiff flog, umhergestoßen von den heimtückischen Winden und Strömungen der veränderlichen Atmosphäre über den Klippen und Graten der Berge, durch die aufdämmernde Morgenröte. Sie hatten einen Sturm hinter sich gelassen, aber das rauhe Terrain, das unter ihnen verschwommen zu sehen war, wurde von Nebelschichten geglättet.
Kerwin saß mit untergeschlagenen Beinen unbequem neben Auster und sah ihm bei der Manipulierung unsichtbarer Kontrollen zu. Er hätte sich den Platz in der engen vorderen Pilotenkabine neben Auster nicht ausgesucht, aber in der kleinen rückwärtigen Kabine war kaum Platz für Kennard und Taniquel, und man hatte ihn gar nicht erst nach seinen Wünschen gefragt. Immer noch war er sprachlos über die Geschwindigkeit, mit der sich alles ereignet hatte. Beinahe auf der Stelle hatte man ihn in aller Eile zu einem kleinen privaten Landeplatz am anderen Ende der Stadt und an Bord dieses Flugzeugs gebracht. Wenigstens, dachte er mit trockenem Humor, wußte er jetzt mehr als der terranische Legat, der sich den Kopf zerbrach, welche Verwendung die Darkovaner für Flugzeuge hatten.
Kerwin wußte immer noch nicht, was sie mit ihm vorhatten, aber er hatte keine Angst vor ihnen. Sie waren nicht eigentlich freundlich, sondern mehr – nun, sie akzeptierten ihn, ungefähr so, wie es seine Großeltern getan hatten. Das hatte nichts mit seinem Charakter und seiner Persönlichkeit zu tun oder der Frage, ob
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