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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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sie ihn mochten – was Auster entschieden nicht tat –, aber sie akzeptierten ihn wie einen Familienangehörigen. Ja, das war es: wie einen Familienangehörigen. Selbst als Kennard die Flut seiner Fragen kurz mit einem »Später, später!« abgewiesen hatte, war das in keiner Weise kränkend gewesen.
    Das Schiff hatte außer einigen kleinen Einstellungsskalen keine sichtbaren Instrumente. Eine der Skalen hatte Auster justiert, als sie an Bord gingen. Er entschuldigte sich kurz, daß daraufhin ein unangenehmes Vibrieren entstand, das Kerwins Ohren und Zähne schmerzen ließ. Es war notwendig, teilte Auster ihm in wenigen knurrigen Worten mit, um die Anwesenheit eines unentwickelten Telepathen im Flugzeug zu kompensieren.
    Danach hatte sich Auster aus seiner knieenden Haltung nur ab und zu vorgebeugt und lässig eine Hand bewegt, als winke er einem unsichtbaren Beobachter. Oder, dachte Kerwin, als verscheuche er Fliegen. Einmal hatte er gefragt, welche Energie das Schiff antreibe.
    »Matrix-Kristalle«, antwortete Auster knapp.
    Kerwin schürzte die Lippen zu einem tonlosen Pfiff. Nicht von fern war ihm eine Ahnung gekommen, daß diese auf Gedanken reagierenden Kristalle eine so ungeheure Kraft entwickeln könnten. Es war nicht nur Psi-Kraft, davon war er überzeugt. Kerwin hatte sich nach dem, was er von Ragan wußte, und dem bißchen, was er gesehen hatte, zusammengereimt, daß die Matrix-Technologie eine jener Wissenschaften war, die Terraner unter dem Überbegriff nichtfaktitive Wissenschaften zusammenfaßten: Kyrillik, Elektromentrie, Psychokinese. Davon verstand Kerwin sehr wenig. Man fand sie für gewöhnlich auf nichtmenschlichen Welten.
    Ungeachtet seiner Faszination hatte er ganz einfach Angst. Und doch – er hatte an sich nie als einen Terraner gedacht, abgesehen von dem Zufall seiner Geburt. Darkover war die einzige Heimat, die er je gekannt hatte, und jetzt wußte er, daß er wirklich hierhergehörte, daß er irgendwie mit dem Hochadel, den Comyn , verwandt war.
    Die Comyn . Über sie wußte er nicht mehr als jeder Terraner, der nach Cottman IV abkommandiert wurde, und das war nicht viel. Sie waren eine erbliche Kaste, die mit den Terranern so wenig wie möglich zu tun haben wollte, obwohl sie den Bau des Raumhafens und der Handelsstädte erlaubt hatte. Sie waren keine Könige oder Autokraten, sie stellten keine Priesterschaft oder Regierung dar. Kerwin wußte mehr darüber, was sie nicht waren, als darüber, was sie waren. Aber er hatte eine Andeutung der fanatischen Verehrung erhalten, die diesen rothaarigen Edelleuten entgegengebracht wurde.
    Vorsichtig versuchte er, seine Beine zu entwirren, ohne gegen ein Schott zu stoßen. »Wie weit entfernt ist eure Stadt noch?« erkundigte er sich bei Auster.
    Auster würdigte ihn keines Blickes. Er war sehr dünn, und in der Haltung seiner Schultern und dem Verziehen seines arroganten Mundes lag etwas Katzenhaftes. Aber er kam Kerwin auch auf eine Art, deren er nicht habhaft werden konnte, bekannt vor. Nun ja, sie waren miteinander verwandt. Kennard hatte gesagt, sie seien alle seine Verwandten. Vielleicht hatte Auster Ähnlichkeit mit Kennard.
    »Wir sprechen hier kein Cahuenga«, erklärte Auster gereizt, »und bei eingeschaltetem telepathischem Dämpfer kann ich dich ebensowenig verstehen wie du mich.« Er machte eine kurze Handbewegung zur Skalenscheibe hin.
    »Was ist denn gegen Cahuenga einzuwenden? Du beherrschst die Sprache gut – ich habe dich gehört.«
    »Wir sind fähig, jede bekannte menschliche Sprache zu lernen«, erwiderte Auster mit dieser unbewußten Arroganz, die Kerwin so auf die Nerven ging, »aber die Begriffe unserer Welt lassen sich nur mit unserer eigenen semantischen Symbologie ausdrücken. Und ich habe keine Lust, mich mit einem Halbblut in der Krokodilsprache über Trivialitäten zu unterhalten.«
    Kerwin bezwang einen Impuls, ihn zu schlagen. Er bereute seine unüberlegte Bemerkung über die Eidechsenmenschen, und er hatte es satt, daß Auster sie ihm jedes Mal, wenn er den Mund öffnete, vorwarf. Nie hatte er einen Mann gekannt, der ihm so unsympathisch war wie Auster, und wenn er sein Verwandter war, konnte Blutsverwandtschaft nicht die Bedeutung haben, die ihr immer zugeschrieben wurde. Kerwin ertappte sich dabei, daß er überlegte, wie nahe sie verwandt sein mochten. Nicht zu nahe, hoffte er.
    Die Sonne stieg gerade über den Rand der Berge, als Auster sich leicht bewegte. Sein ironisches Gesicht entspannte sich ein wenig. Er

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