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Die Blutlinie

Die Blutlinie

Titel: Die Blutlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyn
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ihrem Vorgehen hier –, doch das Entfernen der Organe ist ihr Markenzeichen. Derjenige, den wir für den Dominanten von beiden halten, behauptet, er sei ein Nachfahre von Jack the Ripper.«
    Ein missbilligender Ausdruck huscht über Barrys Gesicht. »Blödsinn.«
    Ich nicke zustimmend. »Das ist es. Wir haben sogar den Beweis dafür.«
    »Und wie wollen Sie weiter vorgehen?«
    »Ich will jetzt den Tatort sehen. Allein. Und dann möchte ich, dass Gene Sykes und Callie Thorne eine erste Spurensicherung durchführen. Anschließend kann Ihr Spurensicherungsteam den Rest erledigen. Allerdings muss es schnell gehen, und ich brauche eine Kopie sämtlicher Ergebnisse.«
    »Kein Problem.« Er geht mit der Zigarette zum Straßenrand, um sie auszutreten. Um den Tatort nicht zu kontaminieren. Dann kommt er zu mir zurück und deutet auf die Tür. »Wollen Sie jetzt rein?«
    »Ja.« Ich sehe Alan an, dann Callie, dann Gene. »Alan, fahr nach Hause zu Elaina. Es gibt keinen Grund, warum du jetzt hier sein musst.«
    Er scheint zu zögern, schließlich nickt er. »Danke.« Er wendet sich ab und geht.
    »Callie, ich brauche wahrscheinlich zwanzig Minuten bis eine halbe Stunde. Sobald ich fertig bin, könnt ihr rein.«
    »Kein Problem, Zuckerschnäuzchen. Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst.«
    Ich gehe zur Tür und bleibe für einen Moment dort stehen, während ich mit meinem geistigen Ohr lausche. Nach einer Sekunde höre ich es: tschua-tschua-tschua-tschu. Ich spüre, wie mich Kälte umhüllt, wie sich der Raum um mich herum zu einem windstillen, offenen Feld weitet. Ich höre den schwarzen Zug, und ich bin bereit, ihn zu sehen. Jetzt muss ich ihn nur noch finden. Zurückverfolgen, wie er durch dieses Haus gefahren ist.
    Ich trete ein. Die Einrichtung ist einfach, aber sauber. Sie vermittelt den Eindruck von jemandem, der sich sehr bemüht und dann beschlossen hat, das Rennen um Wohlstand und Statussymbole aufzugeben. Es fühlt sich traurig an. Noch nicht ganz nach Hoffnungslosigkeit, doch kurz davor.
    Der Geruch des Todes durchdringt die Wohnung. Die Verwesung hat sich auf das Haus herabgesenkt wie eine Verwahrlosung. Kein Parfumduft diesmal, nur der rohe und reale Gestank eines Mordes. Hätten Seelen einen Geruch, dann würden alle Jack Juniors dieser Welt so stinken.
    Ich gehe am Wohnzimmer vorbei und sehe rechts die Küche. Eine Schiebetür aus Glas führt nach hinten in den Garten und in eine kühle Nacht. Ich gehe zur Tür und untersuche das Schloss. Es ist ein billiges Standardschloss, und es ist nicht beschädigt.
    »Du hast wieder mal einfach geklopft, wie?«, murmele ich vor mich hin. »Du und dein Komplize. Hat er sich an der Seite versteckt, während du vor der Tür gestanden hast? Sich bereitgehalten, um sie zu überfallen, wenn sie nicht damit rechnet?«
    Mir kommt der Gedanke, dass der Zeitpunkt des Überfalls auf Annie, sieben Uhr abends, vielleicht mehr war als Dreistigkeit. Es ist eine Zeit, zu der Leute üblicherweise nach Hause kommen oder gerade zu Hause angekommen sind und es sich für den Feierabend gemütlich machen. Sie befinden sich in einem Schwebezustand und wollen nichts von der Welt draußen wissen.
    »Hast du es hier genauso gemacht? Bist du, von einem Ohr bis zum anderen grinsend, zur Haustür geschlendert und hast geklopft? Hatte einer von euch die Hände in den Taschen, als würde ihn nichts auf der Welt bekümmern?«
    Weil das nämlich etwas ist, was ich bei beiden zu spüren glaube. Es ist ein starkes Gefühl. Tschua-tschua-tschua-tschu.
    Ihre Arroganz.
    Es ist früher Abend. Sie parken direkt vor dem Haus der Hure. Warum auch nicht? Es ist schließlich nichts Ungewöhnliches, am Straßenrand zu parken, oder? Sie steigen aus, blicken sich um. Es ist ruhig, ohne still zu sein. Die Straße liegt leer, aber nicht verlassen. Abenddämmerung in der Vorstadt, man spürt Leben und Bewegung hinter den Mauern der anderen Häuser. Ameisen in ihren Hügeln.
    Sie gehen zur Tür. Sie wissen, dass sie zu Hause ist. Sie wissen alles über sie. Ein Blick in die Runde, um sicher zu sein, dass niemand draußen auf der Straße ist und sie beobachtet. Dann klopft er. Ein Moment vergeht, und sie öffnet …
    Dann was? Ich blicke mich im Hausflur um. Ich sehe keine Post am Boden liegen, keine Spur von einem Kampf. Doch ich spüre sie erneut, diese Arroganz.
    Sie machen das Einfachste, was sie tun können – drängen hinein, stoßen sie zurück, schließen die Tür. Sie wissen, dass sie sie nicht aufhalten wird.

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