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Die Blutlinie

Die Blutlinie

Titel: Die Blutlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyn
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würde ich einen Online-Kontakt herstellen, gefolgt von persönlichen Treffen. Von da an kann er sich seine Beeinflussungsmethode aussuchen. Vielleicht fängt er in kleinen Schritten an. ›Komm, wir gehen in einen Puff. Wir verprügeln eine Prostituierte, aber wir bringen sie nicht um. Als Nächstes töten wir eine Katze und sehen ihr in die Augen, während das Tier stirbt.‹ Indem er langsam voranschreitet, zerbricht er die schwachen moralischen Gerüste, die sich manche errichtet haben, um ihr Verhalten zu regulieren und sich menschlich zu fühlen. Und nachdem man bereits einen Fuß in die Hölle gesetzt hat, warum nicht auch den zweiten? Schließlich dürfen wir eines nicht vergessen: Für sie ist die Hölle der Himmel.«
    »Wie lange braucht er, um so etwas zu bewerkstelligen? Einen anderen Menschen zu konditionieren und ihn dazu zu bringen, diese Linie zu überschreiten?«
    Dr. Child sieht mich an. »Sie wollen wissen, wie viele weitere Gehilfen er sich geschaffen haben mag, nicht?«
    »Im Prinzip ja.«
    Er breitet die Hände aus. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es hängt von zu vielen Faktoren ab. Wie lange tut er es schon? Aus welchem Pool schöpft er seine Jünger? Wenn er beispielsweise auf Bewährung entlassene Vergewaltiger kontaktiert … nun ja, der Sprung von Vergewaltigung zu Mord ist nur klein.«
    Ich sehe in seine müden Augen und lasse seine Worte auf mich wirken. Wie viele Jahre? Wie viele Jünger hat Jack Junior um sich geschart? Wie sollen wir das herausfinden? Wir können es nicht wissen.
    »Ich habe noch eine Frage, Doc. Sie haben gesagt, er würde Risiken eingehen. Dieser ganze Prozess, Jünger um sich zu scharen, ist nicht ungefährlich. Jeder einzelne dieser Jünger könnte zur Schwachstelle werden.« Ich schüttele den Kopf. »Es erscheint mir so widersprüchlich. Auf der einen Seite ist er gerissen, sehr gerissen, und äußerst vorsichtig. Auf der anderen geht er große Risiken ein. Ich begreife das nicht.«
    Dr. Child lächelt. »Haben Sie an die einfachste Erklärung für diesen Widerspruch gedacht?«
    Ich runzle die Stirn. »Der wäre?«
    »Dass er wahnsinnig ist.«
    Ich starre Dr. Child an. »Das ist alles? ›Dass er wahnsinnig ist‹?«
    »Ich werde es ein wenig erklären.« Sein Gesicht wird ernst. »Wir haben es meiner Meinung nach mit zwei Faktoren zu tun. Einer davon passt zu seinen Phantasien. Dieses verdrehte ›Voranbringen der Spezies‹, das Weiterreichen der Ripper-Fackel und so weiter.« Er zögert. »Der andere ist Gier.«
    »Gier?«
    »Die Gier, die alle Serientäter antreibt. Sie spüren einen Zwang, das zu tun, was sie tun. Dieser Zwang ist stärker als ihre Vorsicht.« Er hebt die Hand. »Dieser Prozess, mit anderen in Kontakt zu treten, sie zu manipulieren, sie zu formen, ist irrational. Er wird von etwas anderem als Vernunft getrieben. Von Gier. Ein Teil seines Hungers wird gestillt, indem er sich Jünger heranzieht, und das dadurch erzeugte Gefühl ist für ihn befriedigender und wichtiger als seine Sicherheit.«
    »Also ist er schlicht verrückt?«
    »Wie ich bereits sagte.«
    Ich denke über seine Worte nach. »Aber warum Jack the Ripper? Warum diese Besessenheit von Huren?«
    »Ich glaube, das eine ist der Grund für das andere. Die Huren sind die Auslöser für die Ripper-Wahnvorstellungen. Wer auch immer dieses Hirngespinst zusammengebraut hat … hatte ein Problem mit Frauen. Möglicherweise ausgelöst durch Missbrauch oder beobachteten Missbrauch. Ironischerweise ähneln die Motive und Gründe für die heutigen Kopien von Jack the Ripper jenen, die den ursprünglichen Ripper angetrieben haben. Frauenhass gemischt mit unbefriedigter Sexualität und verleugnetem Verlangen. Das alte Lied.«
    »Also noch einmal: Er ist verrückt. Und derjenige, der ihn indoktriniert hat, war vollkommen durchgedreht.«
    »Ja.«
    Berechenbar und unberechenbar; getrieben sowohl von Verstand als auch von Wahnsinn. Großartig. Trotzdem habe ich das Gefühl, ihn jetzt ein wenig besser zu kennen.
    »Ich danke Ihnen, Dr. Child. Sie waren mir eine große Hilfe, wie immer.«
    Er sieht mich aus seinen traurigen, müden Augen an. »Es ist mein Beruf, Agent Barrett. Ich lasse Ihnen meinen Bericht zukommen. Und bitte – seien Sie vorsichtig mit diesem Mörder. Er ist etwas Neues. Das mag vom klinischen Standpunkt her vielleicht interessant erscheinen …« Er zögert, sieht mir in die Augen. »Aber neu heißt in diesem Zusammenhang lediglich gefährlich.«
    Ich spüre, wie sich der

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