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Die Blutlinie

Die Blutlinie

Titel: Die Blutlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyn
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übersieht – ihre Unkompliziertheit. Das Gesicht, das sie der Welt zeigt, ist das einzige, das sie besitzt. Sie hält nichts von Wichtigtuerei und hat keine Geduld mit jenen, die sich aufspielen. Das ist wahrscheinlich die Krux jener, die hart in ihrem Urteil über sie sind: Wenn man es nicht erträgt, dass sie sich über einen lustig macht, verliert sie keinen Schlaf über das Unbehagen des anderen. Entweder macht man mit, oder man wird stehen gelassen. Denn, wie sie gern zu sagen pflegt: »Wenn du nicht über dich lachen kannst, dann kann ich nichts mit dir anfangen.«
    Es war Callie, die mich nach meinem Kampf mit Joseph Sands gefunden hat. Ich war nackt und blutig und voll von Erbrochenem und schrie und weinte. Sie war todchic angezogen, wie immer, doch sie zögerte keine Sekunde, sondern nahm mich in die Arme und hielt mich, während sie auf den Notarzt wartete. Eines der letzten Dinge, an die ich mich entsinne, bevor ich das Bewusstsein verlor, war der Anblick ihres wunderschönen, maßgeschneiderten Kostüms, ruiniert von meinem Blut und meinen Tränen.
    »Callie …«
    Dieser Tadel kommt von Alan. Leise, ernst, auf den Punkt gebracht. So ist Alan. Er ist ein riesiger, furchteinflößender Schwarzer. Er ist nicht einfach nur groß, er ist gigantisch. Ein Berg auf Beinen. Sein finsterer Blick hat mehr als einen Verdächtigen im Verhörraum dazu gebracht, sich in die Hosen zu machen. Die Ironie besteht darin, dass Alan einer der nettesten und freundlichsten Menschen ist, die ich je kennen gelernt habe. Er besitzt eine unglaubliche Geduld, die ich stets bewundert und nachzuahmen versucht habe, und er bringt seine Ruhe in unsere Fälle. Er wird niemals müde, die Beweise noch ein weiteres Mal durchzugehen und selbst das kleinste Detail zu untersuchen. Es gibt nichts, was ihn langweilen könnte, wenn er einem Mörder auf der Spur ist. Und sein Blick für Kleinigkeiten hat uns in mehr als einem Fall den Durchbruch verschafft. Alan ist der älteste von uns, Mitte vierzig, und er verfügte bereits über zehn Jahre Erfahrung als Mordermittler der Polizei von Los Angeles, bevor er zum FBI kam.
    Eine neue Stimme. »Was willst du hier?« Wenn Missvergnügen ein Musikinstrument ist, dann wäre dies eine Symphonie.
    Die Worte kommen ohne Einleitung oder Entschuldigung, unverblümt wie Callie, doch ohne ihren Humor. Sie stammen von James, und James ist eben so. Wir nennen ihn hinter seinem Rücken Damien, nach der Gestalt in Das Omen. Damien, der Sohn Satans. Er ist der jüngste von uns allen, erst achtundzwanzig, und er ist einer der irritierendsten, unangenehmsten Menschen, denen ich je begegnet bin. Er geht einem auf die Nerven, bringt einen zum Zähneknirschen und macht einen wütend. Wenn ich mal jemanden wirklich ärgern will, dann ist James das Benzin, das ich ins Feuer werfe.
    James ist aber auch brillant. Jene Art von weißglühender Nova von Brillanz, die jede Tabelle sprengt. Er hat die Highschool mit fünfzehn abgeschlossen, hervorragende Ergebnisse bei den Hochschuleignungsprüfungen erzielt und wurde von jedem College umworben, das in der Nation etwas auf sich hält. Er hat sich das College mit dem besten kriminologischen Lehrplan ausgesucht und es innerhalb von vier Jahren zum Doktor in Kriminalistik gebracht. Anschließend ist er zum FBI gekommen, wo er von Anfang an hinwollte.
    Als James zwölf war, hat er seine ältere Schwester durch einen Serienmörder verloren, der einen Hang zu Schweißbrennern und schreienden jungen Mädchen hatte. An dem Tag, an dem seine Schwester begraben wurde, beschloss James, für diese Abteilung zu arbeiten.
    James ist ein geschlossenes Buch ohne Titel. Er scheint nur für eine einzige Sache zu leben – unsere Aufgabe. Er macht niemals Witze, lächelt nie, tut nie etwas Unnötiges außer seiner Arbeit. Er redet nicht über sein Privatleben oder sonst irgendetwas, das einen Hinweis auf seine Neigungen, seine Abneigungen oder seinen Geschmack geben würde. Ich weiß nicht, welche Art von Musik er hört oder welche Filme er mag und ob er sich überhaupt dafür interessiert.
    Es wäre zu einfach zu denken, dass er lediglich effizient und von Logik getrieben ist. Nein, James hat eine Feindseligkeit an sich, die immer wieder aus ihm hervorbricht. Seine Missbilligung kann ätzend sein, und seine Gedankenlosigkeit ist legendär. Ich kann nicht sagen, dass er sich am Unbehagen anderer erfreut. Ich glaube vielmehr, dass es ihm weitgehend egal ist. Meiner Meinung nach ist James von

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