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Die Blutlinie

Die Blutlinie

Titel: Die Blutlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyn
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sehr, dass ich erschauere. Ich möchte eine Zigarette. Ich möchte die Sicherheit meines Schmerzes und meines Alleinseins. Ich will in Ruhe gelassen werden, damit ich weiter den Verstand verlieren kann und …
    … und dann höre ich Matt.
    Er lacht.
    Es ist dieses leise Lachen, das ich immer so geliebt habe, eine kühle Brise aus Klarheit und Güte. »Genauuuu, Baby. Immer schnell wegrennen vor der Gefahr. Das ist so typisch für dich.« Das war eine seiner Begabungen. Die Fähigkeit zu spotten, ohne lächerlich zu machen.
    »Vielleicht ist es wirklich typisch für mich«, murmele ich.
    Es soll trotzig klingen, doch mein bebendes Kinn und meine verschwitzten Hände machen es mir schwer.
    Ich kann spüren, wie er lächelt, freundlich und selbstgefällig und nicht wirklich da. Verdammt.
    »Ja, ja, ja …«, murmele ich zu seinem Geist, während ich die Hand ausstrecke und den Türknauf drehe. In Gedanken stoße ich ihn weg von mir, dann öffne ich die Tür.

KAPITEL 5
    Ich starre für einen Moment hinein, ohne einzutreten. Meine Angst ist sauber und klar und Übelkeit erregend. Mir wird bewusst, das dies der Kern dessen ist, was ich an meinem Leben am meisten hasse, seit das große Unglück passiert ist. Die konstante Unsicherheit. Eine der Eigenschaften, die ich an mir immer gemocht habe, war meine Entschlossenheit. Es war immer ganz einfach. Entscheiden und handeln. Heute heißt es: was, wenn … was, wenn … nein, ja, vielleicht … halt, geh, halt … was, wenn … was, wenn … und hinter alledem: Ich habe Angst …
    Mein Gott, habe ich Angst. Ständig. Ich wache auf und habe Angst, ich gehe herum und habe Angst, ich gehe voller Angst schlafen. Ich bin ein Opfer. Ich hasse es, kann ihm nicht entkommen und vermisse dieses Gefühl von Unverwundbarkeit, das ich früher einmal gehabt habe. Ich weiß auch, ganz gleich, wie gesund ich wieder werde, dass diese Sicherheit nie wieder zurückkehren wird. Nie wieder.
    »Reiß dich zusammen, Barrett!«, sage ich.
    Das ist die andere Sache, die ich heute tue. Herumwandern, ohne je irgendwo anzukommen.
    »Dann ändere es!«, murmele ich zu mir selbst.
    O ja, sicher – und ich rede die ganze Zeit laut vor mich hin.
    »Du bist vielleicht eine seltene Irre, Barrett«, flüstere ich.
     
    Ein tiefer Atemzug, und ich gehe durch die Tür. Es ist kein großes Büro. Nur wir vier, Schreibtische und Computer, ein kleiner Konferenzraum, Telefone. Korktafeln mit Bildern des Todes. Es sieht nicht anders aus als vor sechs Monaten, als ich noch hier war. Doch so, wie ich mich fühle, könnte ich genauso gut auf dem Mond herumlaufen.
    Dann sehe ich sie. Callie und Ann, mit dem Rücken zu mir, unterhalten sich leise, während sie auf eine der Korktafeln deuten. James ist auch da, mit seiner üblichen kühlen Konzentration in eine Akte vertieft, die aufgeschlagen vor ihm auf dem Schreibtisch liegt. Es ist Alan, der sich als Erster umdreht und mich sieht. Er sieht mich, und seine Augen werden weit, sein Unterkiefer sinkt herab, und ich wappne mich innerlich gegen einen Ausdruck des Abscheus auf seinem Gesicht.
    Er lacht laut auf.
    »Smoky!«
    Es ist eine Stimme, die erfüllt ist von Freude, und in diesem Augenblick bin ich gerettet.

KAPITEL 6
    »Verdammt, Zuckerschnäuzchen, du musst dich nie wieder für Halloween maskieren.« Das ist Callie. Was sie sagt, ist schockierend, krass und gefühllos. Und es erfüllt mich mit Fröhlichkeit. Hätte sie irgendetwas anderes gesagt, wäre ich wahrscheinlich in Tränen ausgebrochen.
    Callie ist eine große, dünne, langbeinige Rothaarige. Sie sieht aus wie ein Supermodel. Sie ist einer von jenen schönen Menschen, die einem das Gefühl vermitteln, man blicke in die Sonne, wenn man sie zu lange anstarrt. Sie ist Ende dreißig, hat einen Abschluss in Forensik mit Kriminologie als Nebenfach, ist brillant und verzichtet auf jedes soziale Getue. Die meisten Leute finden sie einschüchternd. Viele finden nach dem ersten Erröten, dass sie lieblos ist, möglicherweise sogar grausam. Sie könnten sich nicht gründlicher irren. Callie ist loyal bis zum Extrem, und niemand vermag ihre Integrität und ihren Charakter aus ihr herauszufoltern. Sie ist unverblümt, unglaublich ehrlich, brutal in ihren Beobachtungen und weigert sich, politische oder PR- oder sonstige Spielchen zu spielen. Sie würde jeden, den sie als Freund bezeichnet, mit ihrem eigenen Körper vor einer Kugel decken.
    Eine von Callies bewundernswertesten Eigenschaften ist etwas, das man leicht

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