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Die Blutlinie

Die Blutlinie

Titel: Die Blutlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyn
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»Du kennst mich doch, Zuckerschnäuzchen. Ich wurde zu Höherem geboren, und jetzt trage ich endlich die Krone.«
    Alan schnaubt bei diesen Worten, gefolgt von einem schallenden Lachen.
    »Hör nicht auf diesen Bauern, Schatz«, meint Callie.
    Ich lache, und es tut mir gut. Es ist ein echtes, unwillkürliches Lachen – so, wie es sein soll. Doch dann dauert es ein wenig länger an, als es sollte, und mit Entsetzen spüre ich, wie mir Tränen in den Augen aufsteigen.
    »O Scheiße«, murmele ich und wische mir über das Gesicht. »Tut mir Leid.« Ich blicke zu ihnen auf und lächle schwach. »Es tut einfach nur so verdammt gut, euch zu sehen, Leute. Mehr, als ihr euch vorstellen könnt.«
    Alan, der menschliche Berg, kommt zu mir, und ohne Vorwarnung nimmt er mich in seine baumstammdicken Arme. Ich sträube mich nur für einen winzigen Moment, bevor ich seine Umarmung erwidere und den Kopf an seine Brust lehne.
    »Du irrst dich, Smoky«, sagt er. »Das können wir. Das können wir sogar sehr gut.«
    Er lässt mich los, und Callie tritt vor und schiebt ihn beiseite.
    »Genug der Sentimentalitäten«, schnappt sie und sieht mich an. »Komm, ich lade dich zum Essen ein. Und versuch lieber erst gar nicht, Nein zu sagen.«
    Ich spüre erneut Tränen in mir aufsteigen, und alles, was ich zustande bringe, ist ein Nicken. Callie schnappt sich ihre Handtasche, nimmt mich beim Arm und zieht mich mit zur Tür. »Ich bin in einer Stunde zurück«, ruft sie den anderen über die Schulter zu. Sie schiebt mich durch die Tür nach draußen, und sobald sich die Tür hinter uns schließt, beginnen die Tränen ungehemmt zu fließen. Callie legt von der Seite her kurz den Arm um mich.
    »Ich wusste, dass du nicht vor Damien losheulen wolltest, Zuckerschnäuzchen.«
    Durch die Tränen hindurch lache ich und nicke wortlos. Ich nehme das Taschentuch, das sie mir hinhält, und lasse mich in meinem Moment der Schwäche von ihrer Kraft leiten.

KAPITEL 7
    Wir sitzen in einer Imbissbude an der Subway, und ich sehe fasziniert zu, wie Callie ihr offensichtliches Loch im Magen mit einem dreißig Zentimeter langen Frikadellen-Sandwich stopft. Ich habe mich immer gefragt, wie sie das macht. Sie isst wie ein Scheunendrescher, und doch nimmt sie nie auch nur ein Pfund zu. Ich grinse und überlege, dass es vielleicht an ihren täglichen Zehn-Kilometer-Morgenläufen liegt. Sie leckt sich schmatzend und mit solcher Hingabe die Finger, dass zwei ältere Damen am Nachbartisch missbilligende Blicke in unsere Richtung werfen. Als sie fertig ist, seufzt sie zufrieden, lehnt sich zurück und trinkt durch einen Strohhalm ihre Mountain Dew. Mir wird bewusst, dass das hier das Wesen von Callie ist. Sie lässt das Leben nicht einfach vorbeiziehen, sie verschlingt es. Sie schlingt es herunter ohne zu kauen, und sie kriegt nie genug davon. Ich lächle vor mich hin bei dem Gedanken, und sie runzelt die Stirn und schüttelt drohend den Finger in meine Richtung.
    »Weißt du, ich hab dich nur zum Essen eingeladen, weil ich dir sagen will, wie sauer ich auf dich bin, Zuckerschnäuzchen. Du hast meine Anrufe nicht beantwortet, nicht einmal meine E-Mails. Das ist nicht akzeptabel, Smoky. Es ist mir völlig egal, wie beschissen es dir geht.«
    »Ich weiß, Callie. Und es tut mir Leid. Ich meine das ehrlich. Es tut mir wirklich und aufrichtig Leid.«
    Sie starrt mich sekundenlang an, ein intensives Starren. Ich habe gesehen, wie sie den einen oder anderen Kriminellen so angesehen hat, und ich schätze, ich habe es verdient. Der Moment vergeht, und dann schenkt sie mir ein strahlendes Lächeln, während sie abwinkt. »Entschuldigung angenommen. Und jetzt die eigentliche Frage: Wie geht es dir? Ich meine, wie geht es dir wirklich? Und komm nicht auf die Idee, mich anzulügen.«
    Ich senke den Blick, betrachte mein Sandwich und sehe sie dann wieder an. »Bis heute? Schlecht. Richtig schlecht. Ich hatte Alpträume, jede Nacht. Ich hatte Depressionen, und es wurde immer nur schlimmer, nicht besser.«
    »Du hast daran gedacht, dich umzubringen, stimmt’s?«
    Ich spüre den gleichen Schock, nur nicht ganz so stark, wie in Dr. Hillsteads Zimmer. Hier ist mehr Scham dabei. Callie und ich waren immer enge Freundinnen, und ob ausgesprochen oder nicht, es schwingt eine Art Liebe mit. Doch es ist eine Liebe, die auf Stärke fußt, nicht darauf, dass wir uns gegenseitig an der Schulter der jeweils anderen ausweinen. Ich habe Angst, dass diese Liebe nachlässt oder ganz schwindet,

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