Die Blutlinie
unternehmen. Doch Callie hat Recht. Und ich muss schnellstens auf den aktuellen Stand gebracht werden.
»Klärt mich auf«, sage ich, als mir diese Tatsache bewusst wird. »Was haben wir bis jetzt?«
Ich wende mich an James bei meinen Worten. Er starrt mich an, und ich sehe Feindseligkeit in seinen Augen aufblitzen. Er ist voller Missbilligung.
»Du solltest nicht hier sein«, erwidert er.
Ich verschränke die Arme und sehe ihn an. »Gut, aber ich bin nun mal hier.«
»Es verstößt gegen die Vorschriften. Du bist eine Belastung für uns bei diesem Fall.« Er schüttelt den Kopf. »Du hast wahrscheinlich noch nicht mal die psychologische Freigabe, hab ich Recht?«
Callie schweigt, und ich bin ihr dankbar dafür. Das ist ein entscheidender Moment, etwas, das ich selbst regeln muss.
»AD Jones hat mir die Genehmigung gegeben.« Ich starre ihn an. »Meine Güte, James. Annie King war eine Freundin von mir.«
Er stößt den Zeigefinger in meine Richtung. »Ein Grund mehr, dass du nicht dabei sein solltest! Du bist persönlich betroffen, und du wirst Mist bauen!«
Ein Teil von mir registriert, dass ein Außenseiter, der dieses Gespräch belauscht, entsetzt wäre. Er könnte nicht glauben, dass James die Dinge sagt, die er sagt. Ich bin abgehärtet dagegen – bis zu einem gewissen Grad. Das ist typisch James. So ist er nun mal, und so redet er. Außerdem tut es mir gut. Ich spüre, wie sich etwas in mir regt. Die alte Kälte, die ich immer eingesetzt habe, um ihn zu zügeln. Ich halte mich an ihr fest und lasse sie in meine Augen sickern.
»Ich bin hier, und ich werde nicht gehen. Finde dich damit ab, und gib mir endlich die Informationen, die ich brauche. Und hör auf, mir auf die Nerven zu gehen.«
Er stockt sekundenlang und mustert mich von oben bis unten. Ich sehe, wie er sich entspannt. Er schüttelt noch einmal missbilligend den Kopf, doch ich weiß, dass er nachgegeben hat. »Meinetwegen. Aber ich will einen Vermerk fürs Protokoll. Meiner Meinung nach ist das eine eklatante Verletzung der Dienstvorschriften.«
»Ordnungsgemäß vermerkt.« Meine Stimme ist eine Messerklinge aus Sarkasmus, die an seiner Gleichgültigkeit stumpf wird.
»Gut.« Ich sehe, wie sein Blick ein wenig unscharf wird. Er hat keine Akte vor sich liegen; das Computergehirn in seinem Schädel hat auch so sämtliche Fakten parat. »Ihr Leichnam wurde gestern gefunden. Man nimmt an, dass sie drei Tage vorher umgebracht wurde.«
Ich zucke zusammen. » Drei Tage vorher?«
»Ja.«
»Und wie wurde der Leichnam gefunden? Wo?«
»Die Polizei von San Francisco bekam eine E-Mail. Sie enthielt als Attachment ein paar Fotos. Von ihr. Die Beamten fuhren zu ihrer Wohnung, um es zu überprüfen, und sie fanden die Leiche und das Kind.«
Mein Herz hämmert in meiner Brust, und ich spüre ein Sodbrennen. »Soll das heißen, dass die Tochter drei Tage lang bei ihrer toten Mutter war?« Meine Stimme klingt unnatürlich laut. Kein Schreien, doch kurz davor. James sieht mich an. Sein Gesicht wirkt ruhig. Er gibt lediglich Fakten wieder.
»Schlimmer. Der Täter hat sie an die Leiche ihrer Mutter gefesselt. Mit dem Gesicht zu ihrem Gesicht. Sie war die ganze Zeit so festgebunden.«
Blut schießt mir in den Kopf, und ich habe das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Die Magensäure kommt hoch, lautlos und widerlich. Ich kann sie in meinem Mund schmecken. Ich fasse mir an die Stirn.
»Wo ist Bonnie jetzt?«
»In einem der Krankenhäuser in der Umgebung, unter Bewachung. Sie ist katatonisch. Sie hat kein einziges Wort gesagt, seit sie gefunden wurde.«
Ich schweige. Callie mischt sich ein.
»Es gibt noch mehr, Zuckerschnäuzchen. Dinge, die du erfahren musst, bevor wir landen. Damit sie dich nicht kalt erwischen.«
Ich fürchte mich vor dem, was jetzt kommt. Ich fürchte mich davor wie vor dem Schlaf in der Nacht. Doch ich reiße mich entschlossen zusammen. Ich hoffe, dass niemand es bemerkt. »Schieß los. Ich will alles hören.«
»Drei Dinge, und ich erzähle sie dir nacheinander, ohne Kommentar. Erstens, sie hat dir ihre Tochter hinterlassen, Smoky. Der Täter hat ihr Testament gefunden und es neben ihrer Leiche liegen lassen, damit wir es finden. Darin wird dein Name als Vormund genannt. Zweitens, deine Freundin hat eine Sex-Seite im Internet unterhalten und ist persönlich darin aufgetreten. Drittens, die E-Mail des Killers an die Polizei von San Francisco enthielt einen an dich adressierten Brief.«
Mein Unterkiefer sinkt herab. Ich
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