Die Blutlinie
geschwänzt hatten.
Robert erwies sich als unzuverlässig und verließ sie irgendwann. Einige Jahre später überprüfte ich ihn in der Hoffnung festzustellen, dass er sich zum Versager entwickelt hatte, dem es schlecht erging. Stattdessen fand ich heraus, dass er bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Ich weiß bis heute nicht, warum Annie mir das nie erzählt hat.
Als ich anfing, für das FBI zu arbeiten, und damit meine ich richtig arbeiten, dehnten sich die Zeitspannen zwischen unseren Telefonaten auf ein Jahr aus. Dann auf anderthalb. Ich war einverstanden, die Patenschaft für Annies Tochter zu übernehmen, doch ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich das Kind nur ein einziges Mal gesehen habe, und Annie hat meins nie kennen gelernt. Was kann ich sagen? Das Leben ging weiter, wie es das immer tut.
Manche mögen mich deswegen verurteilen. Es ist mir gleichgültig. Ich weiß nur, dass, wann immer wir miteinander sprachen, ob nun nach sechs Monaten oder nach zwei Jahren, es stets so war, als wären wir nie getrennt gewesen.
Vor ungefähr drei Jahren starb ihr Vater. Ich fuhr sofort hin und blieb länger als eine Woche, um ihr zu helfen. Oder es wenigstens zu versuchen. Annie war älter geworden und ausgelaugt und voller Schmerz. Ich erinnere mich an die Ironie dieses Anblicks: Ihr Schmerz und ihr Alter hatten sie schöner als je zuvor werden lassen. Am Abend nach der Beerdigung, nachdem sie ihre Tochter zu Bett gebracht hatte, saßen wir in ihrem Schlafzimmer auf dem Fußboden, und sie weinte in meinen Armen, während ich beruhigend in ihr Haar flüsterte.
Als Matt starb, hörte ich nichts von ihr, doch ich wunderte mich nicht deswegen. Annie hatte diesen Tick – sie verabscheute Nachrichten, ob gedruckt oder im Fernsehen, und ich habe nie angerufen, um es ihr zu erzählen. Ich weiß bis heute nicht, warum.
Während meiner Fahrt zum FBI-Büro denke ich an Annie. Ich denke an sie und wundere mich über meine Reaktion auf ihren Tod. Ich bin traurig. Am Boden zerstört sogar. Doch es trifft mich nicht so tief, wie es das eigentlich müsste.
Ich bin vor dem Büro angekommen, und in diesem Augenblick wird mir klar, dass ich jetzt meine gesamte Jugend verloren habe. Die Liebe meiner Jugend und meine Jugendfreundin. Alle sind tot. Vielleicht war der Verlust von Matt und Alexa zu viel für mich. Vielleicht ist das der Grund, warum ich nicht so viel Schmerz empfinde, wie ich meiner Meinung nach wegen Annies Tod empfinden müsste. Vielleicht ist einfach nicht mehr genug Schmerz in mir übrig.
»Was zur Hölle haben Sie hier zu suchen, Smoky?«
Es ist Special Agent Jones, mein alter Mentor. Nur, dass er inzwischen Assistant Director Jones ist, stellvertretender Direktor. Ich bin überrascht, ihn hier anzutreffen. Nicht, dass er nicht engagiert wäre oder zögern würde, sich die Hände schmutzig zu machen. – Es ist einfach die Tatsache, dass er nicht hier sein muss. Und er hat sicher genug zu tun. Was ist so dringend an diesem Fall?
»Callie hat mich angerufen, Sir. Sie hat mir von Annie King erzählt und erwähnt, dass der Täter eine Nachricht für mich hinterlassen hat. Ich fliege mit.«
Er schüttelt den Kopf. »O nein, Smoky, das werden Sie nicht tun. Ganz bestimmt nicht, verdammt noch mal. Abgesehen von der Tatsache, dass sie Ihre Freundin war, was bedeutet, dass Sie diesen Fall sowieso nicht übernehmen können, sind Sie noch nicht wieder als arbeitstauglich eingestuft worden.«
Callie versucht zu lauschen, und Jones bemerkt es. Er winkt mich zu seinem Wagen und steckt sich eine Zigarette an, während wir gehen. Alle sind inzwischen draußen vor dem Büro und machen sich fertig für die Fahrt zum Privatflugplatz Van Nuys. Jones nimmt einen tiefen Zug, und ich sehe ihn sehnsüchtig an. Ich habe vergessen, meine Zigaretten mitzunehmen.
»Könnte ich eine von Ihnen haben, Sir?«
Er hebt überrascht die Augenbrauen. »Ich dachte, Sie hätten aufgehört?«
»Ich hab wieder angefangen.«
Er zuckt die Schultern und reicht mir die Packung. Ich nehme mir eine Zigarette, dann gibt er mir Feuer. Ich nehme ebenfalls einen schönen tiefen Zug. Ah!
»Hören Sie, Smoky. Sie kennen die Regeln. Sie sind lange genug dabei. Ihr Seelenklempner wahrt vollkommene Verschwiegenheit über das, was Sie in den Sitzungen mit ihm besprechen. Aber er schreibt einmal im Monat einen Bericht, in dem er uns einen Überblick darüber gibt, wo Sie seiner Meinung nach im Moment stehen.«
Ich nicke. Ich weiß, dass es
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