Die Blutlinie
sehr erröten, dass ich meinte, mein Gesicht müsste anfangen zu brennen. Es war eine Webseite, und dort, für alle Welt zu sehen, standen die Fotos, die ich von mir aufgenommen hatte. Matt drehte sich im Stuhl zu mir um. Auf seinem Gesicht stand ein leichtes Lächeln.
»Sie haben zurückgemailt. Offensichtlich mochten sie die Bilder sehr, die du ihnen geschickt hast.«
Ich stammelte. Errötete noch mehr. Und noch mehr, als mir bewusst wurde, dass es mich anmachte.
»Ich denke, das solltest du nicht wieder tun, Smoky … vom Hals abwärts oder nicht, es ist wahrscheinlich nicht besonders klug. Es ist sogar ausgenommen dumm. Wenn irgendjemand das herausfindet, wirst du schneller gefeuert, als du gucken kannst.«
Ich starrte ihn an, das Gesicht noch immer gerötet, und nickte. »Ja. Ich meine, du hast Recht. Ich mach es nicht wieder. Aber …«
Er hob die Augenbrauen auf eine Weise, die ich immer so sexy wie nur irgendwas fand. »Aber …?«
»Aber – jetzt lass es uns endlich tun!«
Ich riss mir die Sachen vom Leib, und er riss sich seine herunter, und es endete damit, dass wir den Mond anheulten. Das Letzte, was er zu mir sagte, bevor wir beide in jener Nacht einschliefen, klang damals so lustig, so typisch Matt, dass mir die Erinnerung daran einen Stich ins Herz versetzt. Er grinste, die Augen halb geschlossen.
»Was?«, fragte ich.
»Das FBI ist auch nicht mehr das, was es mal war, oder?«
Ich fing an zu kichern, und er lachte los, und wir liebten uns noch einmal, bevor wir aneinander gekuschelt einschliefen.
Ich richte nicht über die harmlosen Exkursionen, die Erwachsene machen, welche Haltung das FBI in dieser Frage auch öffentlich einnehmen mag. Ich sehe das Ende von Leben. Es fällt schwer, sich darüber aufzuregen, dass jemand seine Titten zeigt. Doch das ist ein ganzes Stück weit davon entfernt, eine eigene Webseite zu betreiben und Leute gegen Bezahlung dabei zusehen zu lassen, wie ich mir irgendwelche Dinger zwischen die Beine stecke. Ich frage mich, ob Annie mehr daraus gezogen hat als nur Geld, oder ob es ihr nur ums Geld gegangen ist. Wenn ich meine Freundin richtig einschätze, dann ging es nicht nur ums Geld. Sie war schon immer ein Freigeist, ein weiblicher Ikarus, der stets ein klein wenig zu dicht an der Sonne geflogen ist.
Ich schüttele die Tagträumerei von mir ab. Für einen Moment frage ich mich, ob ich den Bezug zur Realität verloren habe und zu einem von jenen bis ins Mark erschütterten Typen zu werden drohe, die mitten im Satz aufhören zu reden und in die Ferne starren. Ich merke, wie James mich aufmerksam beobachtet. Aus irgendeinem Grund erweckt die Vorstellung, dass er – von allen Leuten ausgerechnet er – die Bilder entdecken könnte, die ich ins Netz gestellt habe, einen irrationalen Schub von Paranoia. Gütiger Gott, dann würde ich mich tatsächlich umbringen müssen.
»Sie klingen, als würden Sie sich auf Ihrem Gebiet auskennen, Leo«, sage ich. »Wir brauchen Sie für die Computersachen, also hoffe ich sehr, dass Sie ein Supergeek sind.«
»Der superste«, versichert er grinsend.
»Dann möchte ich jetzt von dem Brief hören.«
Callie greift nach ihrer Mappe, klappt sie auf und nimmt einen Ausdruck aus einem Hefter. Sie reicht ihn mir.
»Hast du das gelesen?«, frage ich James.
»Ja …« Er zögert. »Es … es ist interessant.«
Ich nicke, begegne seinem Blick und spüre die Verbindung. Öl und Kugellager. Das ist der Punkt, an dem wir uns begegnen, und er will wissen, was ich davon halte, was auch immer er selbst dazu denkt oder fühlt.
Ich konzentriere mich auf die Worte und lese. Ich muss in den Verstand dieses Mörders eintauchen, und dies sind Worte, über die er lange nachgedacht hat. Für uns ist dieses Dokument unbezahlbar. Es kann uns eine Menge über dieses Monster verraten, wenn es uns gelingt, es zu entschlüsseln.
An Special Agent Smoky J. Barrett.
Ich wünschte, dies würden nur Ihre Augen sehen, aber ich weiß, wie wenig Ihr FBI die Privatsphäre respektiert, wenn es jemanden jagt. Jede Tür wird aufgestoßen, die Jalousien hochgezogen und die Schatten verdrängt.
Zuerst möchte ich mich für die lange Zeit entschuldigen, die zwischen dem Töten Ihrer Freundin und dem Alarmieren der Polizei vergangen ist. Es ging nicht anders. Ich musste zuerst gewisse Dinge in Bewegung setzen. Ich will versuchen, ehrlich zu Ihnen zu sein, Agent Barrett, und jetzt bin ich ehrlich zu Ihnen. Zwar war die erforderliche Zeit der zentrale Faktor,
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