Die Blutlinie
doch ich gestehe, dass der Gedanke daran, wie die kleine Bonnie während jener drei Tage direkt vor der Leiche ihrer Mutter lag, in ihre toten Augen starrte und den einsetzenden Gestank roch, einen eigenartigen Nervenkitzel für mich bedeutet.
Meinen Sie, Bonnie wird sich jemals davon erholen? Oder glauben Sie, dass sie von diesem Bild verfolgt werden wird bis zu dem Tag, an dem sie stirbt? Wird dieser Tag früher kommen, vielleicht durch ihre eigene Hand, weil sie versucht, die Geister und die Alpträume durch eine scharfe Rasierklinge oder durch Schlaftabletten zu vertreiben? Nur die Zeit gibt uns die Antwort darauf, doch der Gedanke daran ist interessant.
Ich bin immer noch ehrlich: Ich habe das Kind nicht angerührt. Ich genieße den Schmerz von Menschen, ich passe in dieses Klischee des Serientäters. Und ich habe keine moralischen Bedenken gegen sexuelle Handlungen an Jugendlichen; sie stellen lediglich keine besondere Verlockung für mich dar. Sie ist immer noch unberührt, zumindest physisch. Ihr Bewusstsein zu vergewaltigen war ein weitaus größerer Genuss.
Da Sie einer von jenen Menschen sind, die sich nicht vom Tod abzuwenden vermögen, erzähle ich Ihnen vom Tod Ihrer Freundin Annie King. Sie ist nicht schnell gestorben. Sie hat große Schmerzen erlitten. Sie hat um ihr Leben gefleht. Ich fand das sowohl amüsant als auch erregend. Was, so frage ich mich, werden Sie daraufhin nun auf Ihrer Checkliste über mich ankreuzen, Agent Barrett?
Lassen Sie sich von mir einen Tipp geben.
Ich wurde als Kind weder sexuell missbraucht noch misshandelt. Ich habe nicht ins Bett gemacht, und ich habe keine kleinen Tiere gequält. Ich bin etwas weitaus Reineres. Ich bin ein Vermächtnis. Ich tue, was ich tue, weil ich einer Blutlinie entstamme; ich stamme vom ERSTEN ab.
Ich wurde wahrhaftig zu dem geboren, was ich tue. Sind Sie bereit für die nächste Eröffnung, Agent Barrett? Sie werden sich möglicherweise lustig über mich machen, doch hier ist sie: Ich bin ein direkter Nachfahre von Jack the Ripper.
Da. Es ist heraus. Ganz ohne Zweifel schütteln Sie den Kopf, während Sie diese Zeilen lesen. Sie stecken mich in eine Schublade mit irgendwelchen Irren, betrachten mich als verlorene Seele, die Stimmen hört und Befehle von Gott empfängt.
Wir werden diesen Irrtum aufklären, und zwar schon bald. Für den Augenblick belassen wir es bei Folgendem: Ihre Freundin Annie King war eine Hure. Eine moderne Hure vom Information Superhighway. Sie hat es verdient, schreiend zu sterben. Huren sind ein Krebsgeschwür auf dem Angesicht dieser Welt, und sie war keine Ausnahme.
Sie war die Erste. Sie wird nicht die Letzte sein.
Ich trete in die Fußstapfen meines Vorfahren. Wie er wird man auch mich niemals fassen, und wie bei ihm wird das, was ich tue, in die Geschichte eingehen. Möchten Sie mein Inspector Abberline sein, Agent Barrett?
Ich hoffe es sehr, wirklich.
Fangen wir auf folgende Weise mit der Jagd an: Seien Sie am zwanzigsten in Ihrem Büro. Man wird ein Paket für Sie abgeben; es wird meine Aussagen belegen. Ich weiß zwar, dass Sie mir nicht zuhören, doch ich gebe Ihnen mein Wort, dass das Paket keinerlei Fallen oder Bomben enthalten wird.
Gehen Sie und besuchen Sie die kleine Bonnie. Vielleicht können Sie sich nachts gegenseitig wecken, wenn Sie schreiend aus Alpträumen hochschrecken, jetzt, da Sie ihre neue Mommy sind.
Und vergessen Sie nicht, Agent – es gibt keine Stimmen, keine Befehle von Gott. Ich lausche auf nichts weiter als auf mein eigenes Herz, das mir sagt, wer ich bin.
From Hell {1}
Jack Junior
Nachdem ich den Brief gelesen habe, schweige ich für eine Weile. »Das ist vielleicht ein Brief«, sage ich schließlich.
»Nur irgendein weiterer Irrer«, meint Callie mit einer Stimme, die vor Abscheu nur so trieft.
Ich schürze die Lippen. »Das glaube ich nicht. Ich glaube, der hier ist mehr als ein Irrer.« Ich schüttele den Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben, und sehe James an. »Wir reden später darüber. Ich muss erst einmal darüber nachdenken.«
Er nickt. »In Ordnung. Ich möchte außerdem erst mal den Tatort sehen, bevor ich konkrete Schlussfolgerungen ziehe.«
Schon wieder diese Verbindung. Ich habe das Gleiche gedacht. Wir müssen an dem Ort sein, wo es passiert ist. Dort stehen, wo der Mord passiert ist. Wir müssen den Täter riechen.
»Da wir gerade davon sprechen«, sage ich. »Wer vom SFPD hat den Fall übernommen?«
»Deine alte Freundin Jennifer Chang«,
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