Die Blutlinie
»Zufall?«, fragt sie mit gedämpfter Stimme. »Ich glaube, nicht!«
Ein Lächeln huscht über Callies Gesicht. »Unheimlich ist es, kein Zweifel.«
»Höchst eigenartig, Momma!«, erwidert Marilyn, indem sie aus einem Song von John Lennon zitiert. Beide lachen.
»Ich möchte jedenfalls kein Risiko eingehen«, sagt Callie und wird wieder ernst. »Ich werde Polizeischutz für dich organisieren, bis diese Sache vorüber ist.«
Marilyn nickt. Sie akzeptiert den Entschluss ihrer Mutter. Sie ist ebenfalls Mutter und wird das Angebot nicht ablehnen. »Du glaubst, es ist irgendwann vorbei?«
Callie lächelt sie grimmig an. Es ist ein Lächeln, das angefüllt ist mit allen möglichen Versprechungen an die Adresse von Jack Junior. »Wir sind gut, Marilyn. Verdammt gut.« Sie deutet auf mich. »Und sie ist die Beste. Von allen.«
Marilyn mustert mich. Betrachtet meine Narben. »Stimmt das, Agent Barrett?«
»Wir kriegen ihn«, sage ich und beschließe, es dabei zu belassen. Zuversichtlich, ohne meine eigenen Zweifel. »Normalerweise kriegen wir sie. Diese Kerle bauen fast immer irgendwann Mist. Er bildet keine Ausnahme, und das führt uns zu ihm.«
Marilyns Blicke wandern zwischen Callie und mir hin und her. Sie scheint meine Antwort zu akzeptieren. »Was jetzt?«, fragt sie.
»Jetzt«, antworte ich, »jetzt wird Callie die lokale Polizei anrufen und dafür sorgen, dass dieses Haus rund um die Uhr bewacht wird. Ich rufe das Team an und informiere meine Leute, was passiert ist. Wahrscheinlich warten alle ungeduldig auf Nachricht.«
Wir erledigen unsere Telefonate. Alan klingt zutiefst erleichtert. Und Callie trifft bei der örtlichen Polizei auf keinerlei Widerstand.
»Sie sind unterwegs«, versichert sie.
»Wir müssen ebenfalls aufbrechen, sobald sie hier sind, Callie«, sage ich ungern. »Wir müssen zurück.«
Sie zögert, dann nickt sie. »Ja. Ich weiß.« Sie wendet sich zu Marilyn, beißt sich auf die Unterlippe. »Marilyn, darf ich …« Sie schüttelt den Kopf. »Das ist alles so surreal und bizarr, Zuckerschnäuzchen, aber … können wir uns wiedersehen?«
Marilyns Lächeln ist echt. »Natürlich. – Unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Du sagst mir deinen Namen. Ich kann nicht ewig ›Agent Thorne‹ zu dir sagen.«
Wir sitzen im Wagen. Callie hat den Motor noch nicht angelassen. Sie starrt zum Haus ihrer Tochter. Ich kann ihren Gesichtsausdruck nicht deuten und weiß nicht, was sie denkt. Ich stelle die offensichtliche Frage. »Wie geht es dir?«
Sie starrt weiter zum Haus, bevor sie mich ansieht. Ihr Gesicht ist müde, nachdenklich. »Gut. Es geht mir gut. Ich sage das nicht nur, um dich zu beruhigen. Es ist besser gelaufen, als ich mir im Traum vorzustellen gewagt hätte. Aber es macht mich nachdenklich.«
»Inwiefern?«
»Ich überlege, was er gemeint hat. Er hat geschrieben, jeder von uns würde irgendetwas verlieren. Und ich habe nichts verloren. Glaubst du, es war so gedacht?«
Ich denke darüber nach. »Nein«, sage ich. »Nein, das glaube ich nicht. Ich denke, dass die beiden Mörder davon überzeugt waren, dass Marilyn dich nicht akzeptieren würde. Und dass dich dies furchtbar aus der Bahn werfen würde.«
Sie schürzt die Lippen. »Ich weiß nicht. Ich stimme dir zu, was das Erste angeht. Ich glaube jedoch nicht, dass sie gehofft haben, ich wäre als Resultat des Zusammentreffens zu nichts mehr zu gebrauchen. Ich schätze, sie haben das genaue Gegenteil gehofft. Ich kriege langsam ein Gefühl für diese Geschichte, Zuckerschnäuzchen. Diese Kerle wollen nicht geschnappt werden. Aber sie wollen, dass wir sie jagen. Und sie wollen, dass wir unser Bestes geben.« Sie sieht mich grimmig an. »Und weißt du was? Es hat funktioniert. Ich höre bestimmt nicht auf, bevor wir sie nicht geschnappt haben. Ganz sicher nicht. Und darauf kam es ihnen an, verstehst du? Sie wollten mich wissen lassen, dass meine Tochter nicht sicher ist, bevor wir sie nicht geschnappt haben.«
Ihre Worte machen Sinn. Callie hat Eingebungen, die gleichen kleinen Erleuchtungen, wie ich auch. Das ist einer der Gründe, warum sie so gut ist. Ich sage das einzige unter diesen Umständen Passende.
»Dann lass sie uns schnappen.«
KAPITEL 29
Es dauert eine Ewigkeit, bis wir zurück sind. Als wir losfuhren, war es früher Nachmittag, und der Berufsverkehr fängt früh an in Südkalifornien. Als wir im Büro eintreffen, springen alle auf, die Gesichter voller Erwartung.
»Fragt nicht, Leute«, sagt
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